Mit dem Architektenehepaar Mark und Nicole Maurer sind wir am Dreiländereck verabredet. Ein Grenzstein markiert hier die Stelle, an der Belgien, Deutschland und die Niederlanden zusammentreffen. Der Dreiländerpunkt ist ein beliebtes Ausflugsziel in der Region, ganz besonders bei den Niederländern. In der Nähe liegt mit rund 320 Metern auch die höchste Erhebung der europäischen Niederlande. Aber irgendwie wirkt auf dem Vaalserberg alles ein bisschen wild zusammengewürfelt: Labyrinth und Spielplätze, Imbissbuden und Restaurants, daneben noch zwei Panoramatürme: der Wilhelmina-Turm auf Vaalser Gebiet und der Baudouin-Turm auf belgischer Seite.
Wenn es nach Mark und Nicole Maurer geht, könnte es hier in Zukunft aber ganz anders aussehen. "Wir haben eigentlich einen Plan gemacht für das ganze Gebiet. Ein Bauwerk in der Mitte soll die Geschichte Europas symbolisieren. Diese Geschichte möchten wir hier erzählen – und das machen die anderen beiden Türme nicht. Die Geschichte Europas an diesem Ort zu erzählen, ist eine ganz neue Strategie, die eine ganz andere Art von Tourismus hierhin locken könnte: mehr Kulturtourismus statt Konsumtourismus", erklärt Mark Maurer.
Mark und Nicole Maurer wollen einen roten Faden ins Dreiländereck bringen, ein klares Konzept schaffen – auch mit Blick auf den Verkehr. Autos sollen hier in Zukunft nicht mehr rollen.
Das Projekt haben die beiden "Die Quelle Europas" genannt. Im Mittelpunkt das neue Bauwerk, ganz aus Holz, mit rund 50 Metern Höhe und elf Etagen - eine Art Kaleidoskop. Auf dem Weg nach oben sollen Besucher durch die europäische Geschichte geführt werden. Der Turmfuß, als Achteck geplant, soll etwa an das Oktogon des Aachener Doms erinnern, ein Stockwerk mit 16 Ecken an den Saal, in dem der Vertrag von Maastricht unterzeichnet wurde, und eine weitere Etage an den Eiffelturm als Sinnbild der industriellen Revolution.
"Wir haben eigentlich die verschiedenen europäischen Epochen übersetzt in Architektur- oder Baustile", erklärt Mark Maurer. "Diese sind in einem Bauwerk gestapelt – und so kann man durch die Geschichte Europas hochklettern. Wenn man oben auf dem Dach steht, hat man den höchsten Punkt erreicht und kann die drei Länder, die hier sind, von oben aus sehen."
Man soll sie aber nicht nur sehen, sondern auch erleben können. Mark und Nicole Maurer planen deshalb eine grenzüberschreitende Raumstrategie. Mit mehreren Pavillons soll eine Verbindung zur umliegenden Region, Geschichte und zu touristischen Angeboten geschaffen werden.
Dabei wird auch Neutral-Moresnet eine Rolle spielen, erklärt Nicole Maurer. "Die Brücke nach Belgien muss über die Geschichte des Vierländerpunkts geschlagen werden. Man muss erzählen, dass hier mal vier Länder zusammen waren. Das ist ein Punkt in der Geschichte, der sehr speziell ist. Das muss auf jeden Fall erzählt werden."

Erzählt werden kann am Vaalserberg aber noch viel mehr, wie Mark Maurer nur zu gut weiß. "Es gibt hier zum Beispiel ein keltisches Grab – das weiß niemand, aber es ist ein Teil der europäischen Geschichte hier an diesem Berg. Ein Steinwurf von hier entfernt liegt die alte Pfalz von Karl dem Großen, der das erste europäische Reich gestiftet hat. Das liegt hier alles in unmittelbarer Nähe: Karl der Große, die Kelten, die Römer – die ganze Geschichte kann man hier eigentlich erzählen. Das ist sehr speziell und wäre irgendwo anders in den Niederlanden nicht so einfach."
Einfach ist die Realisierung aber auch hier nicht. Der Geländeankauf und vor allem Finanzierungsfragen stehen noch aus. Doch die Architekten sind zuversichtlich. "Ich bin davon überzeugt, dass es realisiert wird. So viele Leute mögen das Projekt", sagt Nicole Maurer. "Der Zeitgeist ist gut, denn man muss Europa erleben - und hier an diesem Punkt kann man es im Kleinen erleben. Die Leute brauchen Spots, wo die Geschichte erzählt und erlebt werden kann."
Ob der Dreiländerpunkt ein solcher Spot werden kann? Der Baubeginn wird jedenfalls noch auf sich warten lassen. Frühestens in ein paar Jahren könnte es tatsächlich losgehen.
Melanie Ganser