Peter Bonnies tägliche Aufgabe: der Weg in den Taubenschlag. Hier kümmert sich der 81-Jährige um seine knapp 100 Tauben. "Das fängt schon morgens an: mit Saubermachen, füttern und dann natürlich im Sommer trainieren, wenn die Saison angefangen hat. Das ist schon aufwendig."
In Aachen-Sief, direkt an der deutsch-belgischen Grenze, übt er sein Hobby aus. Das besteht unter anderem darin, die Tauben auf Wettkämpfe vorzubereiten. Dabei geht es darum, dass die Tauben eine gewisse Strecke so schnell wie möglich absolvieren müssen.
Warum die Tauben immer wieder zu ihrem Schlag zurückfinden, weiß man nicht genau. "Das hat die Taube in sich", erklärt Bonnie. "Man unterscheidet Brieftauben von anderen Taubenrassen, weil die Brieftaube extra darauf ausgelegt ist, nach Hause zu finden. Wir trainieren sie aber auch, fahren sie bis auf eine Distanz von fünf bis zehn Kilometern weg, lassen sie fliegen und dann kommen sie wieder nach Hause."
Für die Wettbewerbe werden die Tauben in Lastwagen nach Südfrankreich gebracht. Mehr als 800 Kilometer legen die kleinen Tiere dann auf dem Heimweg zurück. Dabei sind sie zwischen 70 und 90 Stundenkilometer schnell.
Jetzt im Winter sind die Tauben aber innen. Das Risiko, dass Greifvögel sie bei Trainingseinheiten zwischen die Krallen bekommen, ist im Winter zu groß. Erst im Frühjahr wird wieder trainiert.
Auch Peter Bonnie nimmt an Wettkämpfen teil und zeigt uns stolz Zeitungsartikel, die seine Erfolge belegen. "Selbstverständlich nehme ich an Wettkämpfen teil. Das Schönste an dem Hobby ist, wenn die Taube wieder nach Hause kommt. Wenn man einen schwarzen Punkt am Himmel sieht, die Taube langsam runter dreht und in ihren Schlag fliegt. Das ist das Allerschönste an dem Hobby."
Kommen sie zurück, werden sie durch einen Chip am Fuß erfasst und ihre genaue Flugzeit kann ermittelt werden.
Aber wie erkennt man eigentlich eine gute Brieftaube? "Sie müssen die Beckenknochen eng aneinander haben und ein gutes Federwerk ist Voraussetzung. Und natürlich ein gutes Auge, jede Taube hat ein unterschiedliches Auge", weiß Bonnie.
Geld spielt bei den Wettkämpfen selber übrigens keine große Rolle mehr. Auf Tauben gesetzt wird hier kaum noch. In Asien sieht das allerdings anders aus. Dass dort Tauben für Millionenbeträge eingekauft werden, ist für hiesige Züchter nur schwer nachzuvollziehen.
Einer der Brieftaubenexperten in der Region ist Michael Mahr. Der Aachener kennt die Geschichte der Brieftauben aus dem Effeff und besitzt die größte Sammlung an Brieftauben-Zeitungen und -Zeitschriften, Protokollen und Diplomen aus dem 19. und 20 Jahrhundert. "Damals konnte man mit Brieftauben Sendungen versenden - über 100, 200 oder 300 Kilometer. Die Rotschilds haben zum Beispiel damals Kriegsnachrichten bis nach England gebracht", weiß Mahr.
"Den Transport von Nachrichten hat es immer gegeben. Und dann kam der Punkt, an dem man feststellte, dass die Tauben nicht nur Briefe transportieren können, sondern auch untereinander konkurrieren können. Ungefähr 1820 haben sich die Menschen in Verviers zusammen gefunden und jeder hat eine Taube mitgebracht, man hat sie fliegen lassen und dann war die Frage, wessen Taube die erste war."
Von Belgien aus hat sich der Brieftaubensport dann weiter verbreitet. In jedem Dorf, in jeder Stadt hier in der Region gab es früher Menschen, die Tauben hielten. Inzwischen geht die Zahl der Züchter allerdings zurück, "aber nur in Deutschland, Belgien, Holland und England", erklärt Mahr. "In Polen, Rumänien, China und Taiwan ist es der Renner, Brieftauben zu haben. Da explodiert das Geschäft. Die Chinesen waren am Wochenende in Dortmund auf der Messe stark vertreten. Sie kommen zum Teil mit 100 Menschen, um in Deutschland, Belgien und Holland Brieftauben zu kaufen, weil sie wissen: Das ist der Originalort, wo man die besten Brieftauben bekommt."
Zurück bei Peter Bonnie am Taubenschlag. Tierschützer kritisieren den Taubensport, doch Peter Bonnie hält ganz klar dagegen. "Eine Taube fliegt aus freien Stücken. Wenn sie nicht mehr kann, geht sie runter und erholt sich. Sie sucht sich etwas zu fressen und fliegt dann erst weiter. Manchmal kommt sie dann auch erst nach zwei Tagen zurück."
Noch haben Peter Bonnies Tauben aber Winterruhe. Erst im April startet das Training für die anstehende Saison im Sommer.
Lena Orban
Danke für diesen netten Beitrag! Da kommen Erinnerungen an den Taubenschlag meines Onkels, den dieser bis Ende der 80-er Jahre hatte.
Scheinbar landen die Tierchen auch schon mal in einem fremden Schlag und die Züchter verständigen sich dann untereinander. Wegen meine Französisch- Kenntnisse kam ich dann in den Genuss einer Onkel- finanzierten Rückhol- Aktion in französischsprachige Gebiete, so erinnere ich mich an Saint Mard, Gembloux und Alleur.