Patrice Wangen hat nach seinem Abitur an der Bischöflichen Schule St. Vith in Deutschland und den Niederlanden studiert und in Italien promoviert. Nach einem Forschungsaufenthalt in den USA arbeitet er jetzt an der Universität Kopenhagen. Dort erforscht er, welchen Einfluss soziale Medien auf Politik und Demokratie haben.
"Was oft passiert, ist dass die Neuheit von gewissen Phänomenen überschätzt wird. 'Fake News' und das politische Ausnutzen von Halbwahrheiten gibt es schon seit Jahrhunderten. Das ist immer schon ein Teil der Politik gewesen. 1933 brauchte man auch kein Facebook, um einen rauen politischen Umgangston zu pflegen", sagt Patrice Wangen im BRF-Interview.
"Deshalb würde ich nicht sagen, dass es einen großen Unterschied in dem Sinne macht, dass wir heute in einem digitalen Zeitalter leben. Die gleichen Themen und Dynamiken, die man in der Politik hat, finden sich auch im digitalen Raum wieder."
Fünf bis zehn Prozent Fake News
Per Internet ist es möglich, Information und Desinformation weltweit zu verbreiten. Aber: "Die Forschung zeigt, dass die 'globale Vernetzung' so global eigentlich gar nicht ist. Die Vernetzung findet statt, sie ist aber viel lokaler als gedacht", erklärt Wangen. "Auf der anderen Seite gibt es natürlich die Möglichkeit, zum Beispiel Russia Today heute auch in Belgien im Internet zu lesen."
"Wenn man sich anguckt, was die Ausmaße von Fake News selbst in schlimmsten Momenten sind, dann bewegt sich das zwischen fünf und zehn Prozent. Zum Beispiel bei der Annexion der Krim, als Russland teilweise auch aktiv versucht hat, Falschwahrheiten zu verbreiten. Da hat die Forschung ergeben, dass die Fake News in den sozialen Medien nicht sehr erfolgreich waren."
Filterblasen wie im echten Leben
Auch Filterblasen existieren laut Wangen nicht in dem Ausmaß, in dem sie oft dargestellt werden. "Es gibt schon das Phänomen, dass Leute nur noch mit den Leuten sprechen, mit denen sie auch reden wollen. Das ist aber eher ein soziales Phänomen und wird nicht von sozialen Medien gefördert. Die sozialen Medien spiegeln das, was schon im realen Leben stattfindet."
"Ein verfälschtes Weltbild hatte auch schon vor den sozialen Medien Bestand. Wenn man vor 20 Jahren gewisse Zeitungen gelesen hat und andere nicht, dann hat man die Welt anders gesehen. In dem Sinn sind Filterblasen kein neues Phänomen und werden von den Algorithmen nicht so gefördert, wie wir das vor ein paar Jahren befürchtet hatten."
Beim Referat wird Wangen erste Analyse-Ergebnisse einer statistischen Auswertung von 75 Millionen Tweets zum Brexit präsentieren, in denen er auch der Frage nachgeht, mit wem EU-Politiker denn eigentlich auf dieser Plattform interagieren.
Patrice Wangen referiert auf Einladung der Vegder Denkfabrik am Freitag (18. Oktober 2019) in St. Vith über Politik im digitalen Zeitalter. Der Vortragsabend beginnt um 20 Uhr im Großen Saal des Rathauses St. Vith.
mitt/js/km