Am Donnerstag hatten ostbelgische Politiker auf dem Hof der Lontzener Familie Kessel ein Kälbchen im Blick, das erst am Vortag geboren wurde. Es erhielt die obligatorische Ohrmarkierung. Dabei wurde auch eine Gewebeprobe für das Labor entnommen.
Der Bauernbund und der Grüne Kreis hatten die Politiker am Donnerstag eingeladen, damit sie sich ein Bild vom Hofalltag machen können, sagt Marc Schröder, Berater beim Bauernbund: "Unsere Betriebe sind sehr stark von politischen Entscheidungen abhängig. Wir wollten den Politikern einmal die Praxis auf unseren Betrieben zeigen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wie wir arbeiten und Anknüpfungspunkte suchen, falls es später mal Diskussionen gibt."
Die ostbelgische Landwirtschaft wird von Familien betrieben und ist hochspezialisiert. Der Viehbestand ist insgesamt geschrumpft. Nicht aber auf den Höfen. Leo Kessels Vater hatte seinerzeit mit 15 Kühen angefangen.
Er selbst hat den Hof mit 50 Kühen übernommen. Heute arbeiten seine beiden Söhne mit 160 Kühen auf dem Hof der Familie: "Landwirtschaft war immer anspruchsvoll. Ich habe noch miterlebt, wie mein Vater alles von Hand gemacht hat. Als ich anfing, gab es mehr Technik. Es gab dann weniger Arbeit, aber mehr Tiere. Das bedeutete dann doch mehr Arbeit. So geht das immer weiter. Es gibt immer mehr Technik. Die Menge der Arbeit bleibt gleich. Nur das finanzielle Risiko wird immer größer."
Strenger sind im Laufe der Jahre auch die Anforderungen in Sachen Umweltschutz geworden. Im Grunde sehen die Landwirte die Notwendigkeit ein. Es habe da ein Umdenken gegeben, so der pensionierte Landwirt Leo Kessel.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden nicht mehr in Frage gestellt. Nur schießt in den Augen der Landwirte so manches Gesetz über das Ziel hinaus, sagt Bauernbundberater Marc Schröder: "Das ist dann die Nitratgesetzgebung. Die ist sehr starr und arbeitet mit Fristen. Das ist in der Praxis eher unproduktiv. Das ist etwas, das wir den Politikern vermitteln wollen."
Die moderne Landwirtschaft soll so wenig wie möglich dem Zufall überlassen. Dass Früher alles besser war, hört man Leo Kessel jedenfalls nicht behaupten: "Ich bin jetzt 40 Jahre im Betrieb. Was ich in den 1970er Jahren in der Ausbildung gelernt habe, ist haarsträubend. Genau das Gegenteil von dem, was wir heute machen. Aber wir haben mit den Jahren auch selber hinzugelernt und selber Dinge verändert."
Man lernt nie aus. Das können einige Politiker nach dem Besuch auf dem Bauernhof wieder bestätigen.
Manuel Zimmermann