"Ich heiße Tobias Herbrand, bin 19 Jahre alt. Ich bin körper- und sprachbehindert. Ich kann alles verstehen." Reden kann Tobias nur mit Hilfe eines Sprachcomputers, den er mit den Augen steuert. Aus einer Kommunikationstafel wählt er Bilder oder Buchstaben aus, der Computer übersetzt sie dann in Stimme: "Um die Felder richtig auszusuchen, musste ich viel üben. Das macht echt Spaß und Feude, endlich reden zu können. Ich kann jetzt Dinge erzählen, die mir wichtig sind."
Seit anderthalb Jahren arbeitet Tobias mit dem Sprachcomputer. Mit seinen Logopädinnen hat er das Programm erlernt und ist jetzt mit großer Begeisterung und Ehrgeiz dabei. Für Tobias ist diese Form der Unterstützten Kommunikation ein großer Gewinn, erklärt Nicole Quinting, Koordinatorin des Projekts "Unterstützte Kommunikation" am Zentrum für Förderpädagogik ZFP. "Das war vorher unheimlich schwierig, weil man nicht wusste, was er mitteilen will. Jetzt mittels Sprachcomputer kann er endlich mitteilen, was ihm wichtig ist."
Und er kann zeigen was in ihm steckt, auch im Deutschunterricht. Zum Beispiel wenn es darum geht, von den Erlebnissen am Wochenende zu erzählen. Jetzt kann Tobias endlich mitreden. Mit Hilfe des Sprachcomputers kann Tobias auch Grammatik üben. Dabei wird er noch individuell betreut. Und er kann auch E-Mails an seine Familie schreiben und aus dem Internat berichten.
Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das Recht auf Selbst- und Mitbestimmung formulieren die Fachleute als Ziel der Unterstützten Kommunikation. Es reiche nicht nur Ja und Nein signalisieren zu können. Auch sprachbehinderte Menschen wollen eine Auswahl treffen, entscheiden und ihre Meinung ändern können - wie jeder von uns. "So wird sehr viel Frust vermieden. Das Sprechen über Vergangenheit und die Zukunft, Gedanken und Gefühle äußern - das ist sehr wichtig, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und einen festen Platz dort zu haben", sagt Lara Classen von der Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben.
Wenn Tobias mit seiner Mutter kommuniziert, braucht er keine technischen Hilfsmittel. Sie versteht ihn auch so. Gebärden, Mimik und Gestik sind auch eine Form der Unterstützten Kommunikation. Es gibt verschiedene Hilfsmittel für Menschen, die keine oder eine nicht genügend ausgebildete Lautsprache haben, um sich mitteilen zu können. "Es können graphische Symbole eingesetzt werden oder reale Gegenstände, auf die die Person zeigt, bis hin zu den technischen Hilfsmitteln", erklärt Nicole Quinting.
Welche Hilfen eingesetzt werden, ist ganz individuell - je nachdem welche Kompetenzen die Menschen mitbringen und was sie benötigen. Dabei hilft auch die Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben, die einen wachsenden Bedarf nach Unterstützter Kommunikation in Ostbelgien feststellt. "Je mehr wir für das Thema sensibilisieren, desto mehr Berührungsängste schwinden", stellt Lara Classen fest.
Das ZFP und die Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben arbeiten bei der Förderung der Unterstützten Kommunikation eng zusammen. Sie haben ein gemeinsames Anliegen, erklärt Dirk Schleihs, Direktor des ZFP. "Wir würden es gerne schaffen, dass in Ostbelgien die Standards herrschen, wie in Großbritannien. Kinder, die hier beschult, werden sollten danach in der Tagesstätte die gleichen Kommunikationshilfen vorfinden. Es müsste aufgrund der Kleinheit Möglichkeiten geben, Synergien zu schaffen. Das verstehen wir als unseren Auftrag."
Tobias wird noch höchstens zwei Jahre im ZFP bleiben können. Dann hat er die Altersgrenze von 21 Jahren für die Förderschule erreicht. Danach hofft er, in einer Tagesstätte unterzukommen und sich dort weiter mit seinem Sprachcomputer verständigen zu können.
Michaela Brück