Seit 2015 ist der 20. März in Belgien der "Tag der Justiz". In der Deutschsprachigen Gemeinschaft beteiligen sich die Beschäftigten in der Justiz seit 2016 an den verschiedenen Aktionen. So auch am Mittwoch im neuen Justizgebäude in Eupen.
Alle waren pünktlich um 11:30 Uhr in das geräumige Foyer des nagelneuen Justizpalastes gekommen, um ihre Entschlossenheit im Kampf für die Rettung des Rechtsstaates zu dokumentieren. Denn, sie sehen dringenden Handlungsbedarf und die Notwendigkeit, sich solidarisch zu zeigen. "Es geht ganz einfach darum, zu gewährleisten, dass die Justiz auch in Zukunft ihre Rolle als dritte Gewalt im Staat ordnungsgemäß wahrnehmen kann", sagt Marc Lazarus, Präsident der Vereinigung der deutschsprachigen Magistrate. "Leider hat es in der Vergangenheit immer wieder Angriffe gegeben, die dazu geführt haben, dass dies heute nur sehr schwierig, bzw. teilweise nicht möglich ist."
Zwischen dem Aktionstag am Mittwoch und den Wahlen am 26. Mai liegen noch genau 66 Tage, um die Sensibilisierung voranzutreiben. Ist die Demokratie durch eine unterfinanzierte Justiz tatsächlich in Gefahr? "Wir fordern unter anderem, dass gewährleistet ist, dass die Stellenpläne auch eingehalten werden. Was die deutschsprachige Justiz anbetrifft, sind wir momentan gut aufgestellt, aber es geht heute auch darum, Solidarität mit unseren Kollegen im Inland zu zeigen", so Lazarus. "In Brüssel beispielsweise ist die Situation teilweise katastrophal, was dazu führt, dass Parteien, zum Beispiel bei Familienakten, zwei bis fünf Jahre auf eine Entscheidung warten müssen."
Den deutschsprachigen Justizbeschäftigten im Land geht es derzeit vergleichsweise gut: Nach 30 Jahren Kampf um das neue Justizgebäude hat es auch ansonsten spürbare personelle, materielle und finanzielle Verbesserungen im eigenen Justizbezirk gegeben. Also, hier ein Klagen auf hohem Niveau? "Wir haben uns natürlich auch als Vereinigung der deutschsprachigen Magistrate und als Rechtsanwaltskammer Eupen die Frage gestellt, ob es angemessen ist, heute in einem gerade frisch eröffneten Gebäude lauthals zu demonstrieren", sagt Lazarus. "Wenn man das Ganze aber nüchtern und objektiv betrachtet, hat man hier eigentlich nur die Voraussetzungen geschaffen, die dem Standard der Justiz im Jahr 2019 in einem Rechtsstaat entsprechen sollten."
Verwaltungspersonal, Magistrate und Anwälte im Gleichklang. In Eupen ist es nicht wie in vielen anderen Gerichtsbezirken des Landes im symbolischen Sinn "Fünf vor Zwölf". Gleichwohl kämpfen auch die Anwälte für Anliegen, die sie seit Jahren nicht erfüllt sehen.
In einem 40 Punkte umfassenden Memorandum haben sie ihre Forderungen nach mehr Unabhängigkeit, einer neutralen unpolitischen Kontrolle, nach besserer Zugänglichkeit der Justiz für alle Bürger, geringeren Gebühren, niedrigeren Mehrwertsteuersätzen, einer humaneren Gefängnispolitik und vielem mehr festgehalten. "Wir müssen feststellen, dass der Stand des Anwalts nicht mehr so von der Bevölkerung wahrgenommen wird, wie er eigentlich sollte, und vor allem auch, dass wir mit finanziell knappen Mitteln zurecht kommen müssen", sagt Elvira Heyen, Vorsitzende der Anwaltskammer Eupen. "Wir sehen aber auch, dass wir seit Jahren überflutet sind von neuen gesetzlichen Bestimmungen, die aber nicht im Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft ausgearbeitet wurden."
In Eupen strahlt Justitita in neuem äußeren Glanz. Neben dem erst vor kurzem eingeweihten Justizgebäude wird das alte Haus entkernt und soll bald die Dienste von Handels- und Friedensgericht beherbergen, womit sämtliche Rechtsangelegenheiten konzentriert an einem Platz zu bearbeiten sein werden. Geradezu ideale Bedingungen im Gegensatz zu den oft trostlosen Verhältnissen vor allem in Brüssel und der Wallonie.
Dennoch: Der Tag der Justiz hat auch in Eupen deutlich gemacht, dass der Rechtsstaat auf tönernen Füßen steht, wenn die Politik den geforderten Rahmen nicht schafft.
rs/mg