Im Naturwissenschaft-Unterricht im zweiten Jahr der Maria-Goretti-Schule sind die Mädchen unter sich. 30 Jahre lang war das Institut eine Mädchenschule. Seit 1980 sind nur noch das erste und zweite Sekundarschuljahr reine Mädchenklassen. Den Schülerinnen gefällt das. "Es ist schon schön, wenn man nur mit Mädchen ist. Das ist auch das Besondere der MG", meint eine Schülerin.
"Man kann halt offener sein, wenn man nur Mädchen in der Klasse ist", fügt ihre Klassenkameradin hinzu. "Bei Jungen ist das so: Man muss aufpassen, was man sagt. Früher in der Grundschule war das okay, aber wir sind jetzt ja auch älter."
Auch an der BS werden bislang noch die Geschlechter getrennt. Im ersten und zweiten Sekundarschuljahr sind die Jungen unter sich - eine neue Erfahrung für die Zwölfjährigen. "Das ist toll, wenn man nur eine Sorte ist. Es gibt auch keinen Zickenkrieg, weil wir nur Jungen sind." Ob sie nicht zu viel Blödsinn machen? "Es geht. Manche machen Blödsinn, manche nicht. Es ist ganz lustig hier in der Klasse."
Ein anderer Schüler findet: "Es ist schon cool, weil man viele neue Freunde kennengelernt hat. Aber ich finde es auch nicht schlimm, wenn Mädchen dabei sind." Die kommen an der BS erst später dazu. So wie an der MG gibt es auch hier bislang die Koedukation, den gemeinsamen Unterricht von Mädchen und Jungen, erst ab dem dritten Jahr.
"Es ist schon das zweite Jahr, das wir hier sind", sagt ein Schüler, der von der BS zur Maria-Goretti-Schule gewechselt hat. "Es ist schon anders, es wird nicht mehr gerade so viel Quatsch in den Klassen gemacht. Ich denke, es ist auch gut, nicht nur reine Jungen-Klassen zu haben. Es ist abwechslungsreicher."
"Wenn ein paar Mädchen dabei sind, dann ist es nicht gerade so laut, allgemein ein bisschen ruhiger - und man kann sich mehr konzentrieren auf den Unterricht", fügt sein Mitschüler hinzu. "Es ist schon mehr Leben in die Klasse gekommen. Früher war es schon ruhig, als wir die ersten zwei Jahre nur unter uns Mädchen waren", findet eine Klassenkameradin.
Reine Mädchen- und Jungenklassen gehören nächstes Jahr der Vergangenheit an. Zusammen mit den Schulleitern hat der Schulträger entschieden, dass die Koedukation künftig schon in den beiden ersten Sekundarschuljahren eingeführt werden soll. Eine Frage, die seit den 70er Jahren immer wieder aufgegriffen und verworfen wurde.
"Es hat natürlich mit der Tradition zu tun. Es gab auch zum Teil Befürchtungen. Es hat einen ersten Anlauf gegeben in den 90er Jahren, der ist aber gescheitert", erklärt Helmuth Jousten, Vorsitzender des Schulträgers BSDG. "Jetzt haben wir beim Schulträger gedacht: Wir müssen diese Frage neu aufwerfen und beraten. Beim Schulträger waren wir uns einig, dass wir in Koedukation auch die erste Stufe organisieren sollten." Und zwar an beiden Standorten.
Ob die beiden Schulen eines Tages zusammengelegt werden – wie in Eupen 1995 das Collège Patronné und das Heidberg-Institut – das steht vorerst nicht zur Debatte. Noch hält der Schulträger an beiden Standorten in St.Vith fest. "Jetzt haben wir noch das Glück, dass wir beide Standorte haben und dort ein vollständiges Angebot anbieten können. Es ist ja so, dass die Angebote ab drittem Jahr unterschiedlich sind von einem Standort zum anderen. Da gibt es keine Überschneidungen. Das wird auch erst einmal so bleiben", versichert Jousten.
An der BS ist man froh, dass die Trennung der Geschlechter in den beiden ersten Sekundarschuljahren aufgehoben wird. "Zwei Jahre lang diese Trennung - ich habe sie künstlich genannt-, danach wieder Koedukation. Unsere Lehrerschaft ist ganz offen, sie freuen sich auf die neue Herausforderung. Was uns genau erwartet, kann keiner sagen", so Schulleiter Roland Lentz.
Besonders froh ist das Technische Institut über die Entscheidung des Schulträgers, sagt Schulleiterin Patricia Schäfer: "Es stimmt mich sehr glücklich. Denn ich bin aufgrund meiner Tätigkeit als Schulleiterin des TI in vielen Verwaltungsräten, die eben auch mit technischen Berufen zu tun haben. Dort bekomme ich immer zu hören: Uns fehlt sowieso Manpower, aber warum sind auch keine Mädchen in der Technik? Ich hoffe, dass wir dadurch mehr Mädchen dazu bewegt bekommen, den technischen Weg einzuschlagen."
Am Unterrichtsangebot der beiden Schulen soll sich grundsätzlich nichts ändern. Allerdings soll es Anpassungen geben, wie MG-Schulleiterin Inge Hoffmann-Kohnen erklärt. "Wir werden am nächsten pädagogischen Tag darauf eingehen und überlegen, wie wir den Unterricht anpassen. Was kann beide interessieren und motivieren? Man muss gewisse Themen an die Jungen anpassen und etwas ändern."
Und was sagen die Schüler dazu? "Ich finde es gut. Das ist so wie in der Grundschule. Ich bin damals sehr gut mit Jungen ausgekommen, das war lustig mit denen. Ein bisschen mehr Abwechslung halt." Oder: "Ich finde es eigentlich ganz gut. Irgendwie ist es ja auch diskriminierend, dass Mädchen nicht im ersten Jahr auf der BS etwas Technisches machen können."
"Ich fand schon, dass die zwei Jahre reine Mädchenklasse ein Vorteil waren, weil man sich wirklich besser auf den Unterricht konzentrieren kann. Aber wenn man von Anfang an im ersten Jahr mit Jungen zusammen ist, glaube ich, dass das trotzdem klappen kann, weil die Jungen dann von Anfang ruhiger sind."
Ab dem neuen Schuljahr wird die Koedukation im ersten Sekundarschuljahr eingeführt. 2020 werden Jungen und Mädchen dann auch im zweiten Sekundarschuljahr gemeinsam unterrichtet.
Michaela Brück