Ostbelgien ist im Kommunalwahlkampf. Und das färbt offenbar auch auf das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft ab. Die Aussprache zur Regierungserklärung vermittelte jedenfalls den Eindruck, dass sich die Parteien auch gemeinschaftspolitisch schon im Wahlkampfmodus befinden.
Immer wieder kommentierten und interpretierten die Parlamentarier aus Mehrheit und Opposition die im September veröffentlichte Forsa-Umfrage zur Lebensqualität in Ostbelgien. Die einen rosiger, die anderen düsterer.
CSP-Sprecher Jérôme Franssen sagte, dass die Liste der ungelösten Herausforderungen in Ostbelgien am Ende der Legislaturperiode immer noch lang ist. Zusammengefasst: Fehlende Altenheimplätze, Mängel in der Kinderbetreuung, Fachkräfte- und Ärztemangel und Sorgen um die Mehrsprachigkeit.
Für Franssen mag die Forsa-Umfrage zwar eine breite Zufriedenheit der Ostbelgier dokumentiert haben. Diese Zufriedenheit resultiere aber vor allem aus Bereichen, die wenig bis gar nichts mit den Leistungen der aktuellen DG-Regierung zu tun haben, so Franssen.
Alles 'great'?
Freddy Mockel, Fraktionssprecher von Ecolo, erklärte, er habe sich bei der Regierungserklärung von Ministerpräsident Oliver Paasch an den US-Präsidenten Donald Trump erinnert gefühlt. Für den sei auch alles 'great'. Dabei habe die Mehrheit bei den Kompetenzübertragungen für den Wohnungsbau und die Raumordnung schlecht verhandelt. Mockel ist überzeugt, dass die Mittel nicht reichen werden.
Planlos nannte Mockel die Ankündigungen der DG-Regierung im Pflegebereich. Es sei absolut unseriös, den Menschen in der DG acht Monate vor den Wahlen vor zu gaukeln, dass jetzt sehr bald die große Gehaltsanpassung nach oben für den Pflegesektor anstehe.
Vivant-Parlamentarier Alain Mertes warf der Regierung vor, unbequemen Themen aus dem Weg zu gehen. Ein Beispiel: Die geplante Dienstrechtsreform im Unterrichtswesen. Das Thema Beamtenwesen und die Ernennungen würde von der Regierung wie eine heilige Kuh behandelt. Dabei sei der Beamtenstatus nicht mehr zeitgemäß und in vielen Bereichen kontraproduktiv.
Eine weitere Kritik von Mertes an Unterrichtsminister Mollers ging gepaart mit Gesellschaftskritik. Mertes zählt einen übertriebenen Konsum von digitalen Medien und die fehlende Erziehung im Elternhaus zu den Ursachen für steigende Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen. Auch wenn es nicht allen Eltern gefallen würde, müssten sie doch mit in die Verantwortung genommen werden, so der Vivant-Sprecher.
Auch in Sachen Langzeitarbeitslosigkeit warf Mertes der Regierung Mutlosigkeit vor. Und zwar wenn es darum gehe, Arbeitslose mehr zu motivieren, einen Job zu finden.
'Gutes Zeugnis'
Für Freddy Cremer von der Pro-DG-Fraktion ist die Regierungserklärung eine klare, überprüfbare, nachhaltige, visionäre und vor allem auch finanzierbare politische Perspektive für die Menschen der DG. Dass bei der letzten Forsa-Umfrag 75 Prozent der Befragten erklärt hatten, zufrieden mit der Politik in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu sein, ist für Cremer jedenfalls ein positives Zeugnis, auch weil es um elf Prozent höher liegt als noch 2011.
Für PFF-Sprecher Gregor Freches sind Effektivität und Transparenz die beiden Schlagwörter, die die aktuelle politische Situation in der DG am besten zusammenfassen. Vor allem weil man es geschafft habe, die Vorgaben der 6. Staatsreform zu einem Mehrwert für alle Bürgerinnen und Bürger werden zu lassen.
Charles Servaty von der SP sprach wie seine Mehrheitskollegen die schwarze Null im Haushalt an. Dass die DG als einzige Gemeinschaft des Landes in 2018 einen ausgeglichen Haushalt vorlegen kann, sei ein Erfolg, um den uns andere Gliedstaaten in Belgien beneiden, so Servaty. Für ihn ist der Haushalt schlicht ein wegweisender Meilenstein.
Manuel Zimmermann