Sing- und Tanzabende, Wald- und Wiesenspiele – mehr als 600 Mädchen und Jungen der heimattreuen Bewegungen aus Eupen-Malmedy wurde in den 1930er Jahren ein attraktives Programm angeboten. Es sollte vordergründig die deutsche Kultur festigen. Organisator war Dr. Karl Pütz, einer der wichtigsten nationalsozialistischen Propagandisten in der Region.
"Karl Pütz war ein Aachener, der schon sehr früh Mitglied der NSDAP geworden ist, der Jura studiert hatte, dann aber nicht in den juristischen Dienst gegangen ist, sondern sofort für die Gestapo und den Sicherheitsdienst gearbeitet hat. Gleichzeitig hat er aber auch in den 30er Jahren Jugendgruppen aufgebaut, die nationalsozialistisch beeinflusst werden sollten", erklärt der Historiker Carlo Lejeune.
Mit dem Zentrum für Ostbelgische Geschichte hat er die Biographie von Karl Pütz erarbeitet. Sie bietet einen didaktischen und regionalen Einstieg in die Ausstellung im Triangel, die von den Stiftungen "Topographie des Terrors " und "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" in Berlin konzipiert wurde. Das konkrete historische Beispiel aus Eupen-Malmedy gibt Einblicke in die Verführungsmechanismen totalitärer Systeme.
"Man kann dort sehen, auf welch einfacher Stufe der Einstieg in ein rechtsextremes Gedankengut vonstatten gehen kann. Wir haben bewusst Bilder von uniformierten Jugendlichen ausgewählt mit der Frage: Würdet Ihr heute auch noch so gehen? Man sieht, dass da Kinder sind, die den Hitlergruß zeigen. Wahrscheinlich war das im Jahr 1939. Das heißt, da haben wir Beispiele von nationalsozialistischer Verführung", sagt Lejeune.
Mit kulturellen und politischen Angeboten zeigte Karl Pütz den Jugendlichen, dass sie ernst genommen wurden – zu einem Zeitpunkt, als es mit Ausnahme der Pfadfindergruppen noch keine Jugendarbeit gab.
"Natürlich hat er immer wieder versucht, über Aktivitäten nationalsozialistisches Gedankengut einfließen zu lassen. Zunächst auf einer sehr niederschwelligen Ebene, die aber später immer weiter ausgebaut wurde. Das sieht man an seiner Propagandaschrift aus 1941, wo mehrere Eupener und Malmedyer zu Wort kommen, die 1939/40 aus der belgischen Armee desertiert sind und dann nach Deutschland zu den 'Brandenburgern' gegangen sind, die am 10. Mai 1940 hier einmarschiert sind", erklärt Lejeune.
Karl Pütz startete nach Kriegsausbruch eine militärische Karriere bei der SS. Ab 1941 war er an der Massenerschießung von zehntausenden Menschen in Osteuropa beteiligt: Juden, Roma und Patienten psychiatrischer Anstalten wurden ermordet. "Er war Hauptverantwortlicher für diese Erschießungen. Er hat diesen Massenmord mit organisiert", so Lejeune.
Um die Dimension begreifbar zu machen, werden in der Ausstellung Einzelschicksale dargestellt: Auf zehn Stehlen werden die Biographien ermordeter Frauen und Männer geschildert. Sie ermöglichen einen empathischen Einstieg in die Ausstellung, die vermitteln will, wie ein Weltbild entsteht, das den anderen als nicht ebenbürtig und würdelos ansieht.
"Das ist auch die Hauptbotschaft dieser Ausstellung: Menschen zu zeigen, dass diese Menschenfeindlichkeit, die heute in der politischen Diskussion immer wieder vorkommt, dass das unseren grundlegenden Werten, die auf Menschenrechten basieren, widerspricht. Und dass das in der Geschichte immer wieder dazu geführt hat, dass es zu Katastrophen gekommen ist. Das sollten wir heute vermeiden. Von daher möchten wir den jungen Menschen helfen, sich in diesen unruhigen Zeiten besser orientieren zu können", sagt Dr. Carlo Lejeune.
Die Ausstellung ist eingebettet in ein Rahmenprogramm, das der Frage nachgeht: In wieweit ist heute rechtsextremes Gedankengut bei uns präsent und wie funktioniert dessen Verbreitung? Dazu findet am kommenden Mittwoch um 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion im Triangel statt. Die Ausstellung ist dort noch bis zum 24. September zu sehen. Im Oktober wird sie auch in Eupen gezeigt.
Michaela Brück