"Präsident der Internationalen Union der Gerichtsvollzieher" - wer diesen Titel trägt, der vertritt eine der größten Juristenvereinigungen der Welt mit rund 250.000 Mitgliedern in mehr als 90 Ländern.
Und da fragt man sich, ob Marc Schmitz in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit nur im Flugzeug - von einem Treffen zum nächsten - verbracht hat. "Hauptsächlich bin ich am Zentralsitz in Paris, wo wir unser Büro haben. Den Rest der Zeit bin ich viel unterwegs. Wir haben Mitglieder aus 93 Ländern insgesamt. Wenn jedes Mitgliedsland nur eine Veranstaltung im Jahr hat, dann kann man schnell hochrechnen, wie oft man unterwegs ist", sagt Schmitz.
Von Justizreformen bis hin zu Streitvermittlung
Der Weltverband vertritt die verschiedenen Nationalkammern der Gerichtsvollzieher bei den internationalen Institutionen, wie zum Beispiel den Vereinten Nationen, der Haager Konferenz oder den europäischen Institutionen.
Doch wie geht das überhaupt? Hat ein Gerichtsvollzieher aus Südafrika oder Thailand nicht ganz andere Sorgen als ein Gerichtsvollzieher in Belgien? "Das schon, aber das Berufsbild an sich ist doch sehr ähnlich", antwortet Schmitz. "Die Aufgabenbereiche variieren zwar von einem Land zum anderen, aber generell sind die Zuständigkeitsbereiche die Zustellung von Urteilen und natürlich die Zwangsvollstreckung."
Die Expertise und die Meinung des Weltverbands der Gerichtsvollzieher ist gefragt. Besonders dann, wenn Justizreformen anstehen. Manchmal muss auch bei Streitfällen vermittelt werden, wie zum Beispiel in Kasachstan, wo die Nationalkammer der Gerichtsvollzieher im Clinch mit dem Justizministerium des Landes lag. "Wir haben ein Expertenteam dorthin hingeschickt. Drei Experten waren während einer Woche da. Sie haben die verschiedenen Parteien, die in dieser Angelegenheit involviert sind, angehört und einen entsprechenden Bericht mit Empfehlungen verfasst, wie diese Streitigkeiten beigelegt werden können. Beide Parteien haben uns zugesichert, dass sie sich an unsere Empfehlungen halten würden."
Herausforderung Digitalisierung
Eine der größten Herausforderungen für seinen Berufsstand in Belgien sieht Marc Schmitz in der Digitalisierung der Justiz. "Die Digitalisierung der Justiz ist zwar gut und schön, aber das Problem ist, dass die Nähe zum Rechtssuchenden gewahrt werden muss", erklärt Schmitz. "Stellen Sie sich vor, ihre Großmutter bekommt per E-Mail eine Vorladung zugeschickt. Und dann? Da muss doch auch jemand sein, der erklärt, worum es überhaupt geht, was ihre Rechte sind, welche sie Möglichkeiten hat. Muss sie einen Anwalt haben, um vor Gericht zu erscheinen? Kann sie selbst erscheinen? Sind Fristen zu wahren? Das alles per E-Mail zu erledigen, scheint mir doch sehr fragwürdig", findet Schmitz.
Man merkt es schon. Marc Schmitz ist in seinem Element - und wir mittendrin in seiner Lobby-Arbeit. "Die bessere Lösung wäre jedenfalls, dass der Gerichtsvollzieher die zentrale Funktion beibehält, die er jetzt hat, das heißt die Brückenfunktion zwischen dem Rechtssuchenden und den Justizbehörden. Wir sind doch eigentlich - wie man so schön sagt - 'l'homme sur le terrain', also die, die wirklich an Ort und Stelle sind, die Probleme und die verschiedenen Familienverhältnisse oft kennen und das auch alles berücksichtigen können."
Das Mandat von Marc Schmitz gilt für drei Jahre und ist theoretisch erneuerbar. Er wurde Anfang Mai beim 23. internationalen Kongress der Gerichtsvollzieher in Bangkok gewählt.
Der gebürtige Reuländer war bereits seit sechs Jahren im Vorstand des Weltverbands tätig. Davon drei Jahre als Vizepräsident.
Manuel Zimmermann