Die Bundesverwaltungsrichter in Leipzig haben den Weg für Diesel-Fahrverbote in Städten im Grundsatz freigemacht - ihre Kollegen vom Aachener Verwaltungsgericht sind dieser Linie gefolgt. Die Stadtverwaltung und das Land Nordrhein-Westfalen müssen ein mögliches Verbot für Dieselautos vorbereiten, entschied die zuständige Kammer am Freitag. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte das Land NRW auf Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte verklagt.
In Hamburg haben die Behörden inzwischen ein begrenztes Fahrverbot auf zwei Einzelstrecken durchgesetzt. Andere Kommunen könnten nachziehen. Viele Städte und Gemeinden sehen allerdings auch die Autohersteller in der Pflicht.
Wie haben die Aachener Richter ihre Entscheidung begründet?
Sie meinten sinngemäß: Die Stadt und das Land NRW hatten seit der Einführung der EU-Grenzwerte 2010 genug Zeit, um wirksame Maßnahmen gegen zu schlechte Luft umzusetzen. Es dauere einfach zu lange, bis das Ziel vielleicht 2025 erreicht werde. Es gebe ja noch nicht einmal eine sichere Datengrundlage für diese Prognose.
Laut dem Urteil muss daher jetzt bis Ende 2018 ein Fahrverbot ausgearbeitet werden auf der Grundlage der Leipziger Grundsatzentscheidung. Anfang Januar 2019 soll es in Kraft treten, falls sich bis dahin keine gleichwertige Alternativlösung ergibt. "Das kann ich mir aber nicht vorstellen", sagte Richter Peter Roitzheim.
Wie ist bundesweit die Haltung der Kommunen?
"Die Städte wollen keine Fahrverbote", heißt es beim Deutschen Städtetag. Trotzdem hat vor kurzem Hamburg die ersten Beschränkungen für Diesel in Kraft gesetzt. Auch andere Kommunen denken darüber nach, wie der Städte- und Gemeindebund beobachtet: Im Kern werde es wahrscheinlich auf bis zu 20 hinauslaufen - darunter möglicherweise Düsseldorf, Köln und Stuttgart.
Der Städtetag sieht den eigentlichen Schlüssel im Kampf für saubere Luft jedoch bei der Autoindustrie und fordert, dass diese von der Bundesregierung zu Hardware-Nachrüstungen verpflichtet wird. Bisher sind nur Software-Updates zugesagt.
Wie ist die rechtliche Ausgangslage?
Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Stuttgart hatten örtliche Behörden jeweils zur Verschärfung der Luftreinhaltepläne verpflichtet - potenziell auch mithilfe von Diesel-Verboten, falls dies am Ende die einzige wirklich effektive Maßnahme sein sollte. Denn ein Großteil der schädlichen Stickoxide in der Stadtluft stammt aus Dieselmotoren.
In einer sogenannten Sprungrevision überprüften die Bundesrichter in Leipzig dann die vorherigen regionalen Urteile. Sie ließen dabei Diesel-Fahrverbote grundsätzlich zu, allerdings bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit.
Was will die Deutsche Umwelthilfe konkret?
Die schnellstmögliche Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte auf breiter Ebene. Sie hat in 27 weiteren Städten Klage auf Einhaltung der Grenzwerte eingereicht und schließt weitere Verfahren nicht aus. Fahrverbote sind aus Sicht der DUH dabei das wirksamste Mittel. Das Urteil in Aachen bezeichnete die Organisation als richtungsweisend für die weiteren Verfahren bundesweit.
Wie gehen die Stadt Aachen und das Land NRW mit dem Urteil um?
"Wir sind enttäuscht, weil unsere bisherigen Anstrengungen nicht berücksichtigt wurden", sagte der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp. Stadt und Land NRW setzen ihre Hoffnungen auf eine Wirkungsanalyse. Damit soll berechnet werden, wie sich ihre Maßnahmen im Vergleich zu einem Fahrverbot auf die Schadstoffbelastung auswirken. Erst nach dem Vorliegen dieser Ergebnisse könne man seriös feststellen, ob das Fahrverbot die beste Lösung sei.
Grundsätzlich könnte der Rechtsstreit aber weiter gehen. Das Verwaltungsgericht in Aachen ließ wegen der grundlegenden Bedeutung der Entscheidung eine Berufung zu. Falls die DUH mit der anstehenden Entscheidung der Behörden am Ende nicht zufrieden wäre, könnte sie Antrag auf Zwangsvollstreckung des Urteils stellen.
Von Elke Silberer, dpa