Das besagte Schreiben erhielten die Anwohner der Raerener Hauptstraße in französischer Sprache. Der Landvermesser Guy Genot sendete dieses im Namen der Firma Nelles Frères, die die Kanalisationsarbeiten vollziehen wird. Die Anwohner werden in dem Schreiben dazu aufgefordert, einen Termin mit ihm auszumachen, um eine Bestandsaufnahme zu vollziehen. Es müssten Fotos ihrer Außen- und Innenwände gemacht werden. Auf diese Weise könne nach Ende der Bauarbeiten besser belegt werden, ob etwaige Schäden aufgrund der Arbeiten entstanden sind oder nicht.
Eine Entschädigung für solche Schäden erhalte man nur, insofern man der Aufforderung nachkomme. "Bei der Bestandsaufnahme handelt es sich um eine Sicherheitsvorkehrung - für jetzt und auch für später. Bei den Arbeiten können Schäden im Vorgarten oder im Haus entstehen. Mit den Fotos ist alles dokumentiert", erklärt Raerens Bürgermeister Hans-Dieter Laschet.
Einige Anwohner hatten den Brief nicht verstanden, weil er nicht in deutscher Sprache verfasst war und beschwerten sich bei der Gemeinde Raeren. Diese reagierte mit einem Erklärungsschreiben. Es folgte zudem ein gleicher Brief seitens des Landmessers in deutscher Sprache.
Bestandsaufnahme in 95 Haushalten
Rund 95 Haushalte müssen an der Hauptstraße insgesamt erfasst werden. 65 Haushalte hatten bereits Besuch von Landvermesser Genot, darunter auch Dieter Creutz, der das Restaurant-Hotel "Zum Onkel Jonathan" betreibt. "Der Landmesser hat Fußböden und Wände fotografiert", erklärt Creutz. "Jetzt müssen wir mal sehen, ob sich nach Beendigung der Arbeiten Risse gebildet haben oder nicht."
Auch ein paar Häuser weiter, im Zeitschriftengeschäft Press & More, ist der Landvermesser schon gewesen. Betreiberin Irina Baumann-Emter war alles andere als begeistert von der Bestandsaufnahme. Denn nicht sie, sondern ihr Vermieter hatte den Termin mit dem Landvermesser ausgemacht, ohne sie zu informieren. "Außerdem war das ein französischsprachiger Herr gewesen, der kein Deutsch konnte", erklärt sie.
Während die Rundschreiben offenbar für viel Aufruhr unter den Anwohnern gesorgt haben, stellt sich eine wichtige Frage: Wie ist das Schreiben aus juristischer Sicht einzuordnen? "Es ist üblich, dass ein Bauunternehmer, der an privatem Eigentum vorbei baut, dafür sorgt, den Bestand aufzunehmen, damit man die Ausgangssituation kennt. Bei der Ausführung von Arbeiten können nämlich Schäden bei den Anliegern entstehen", erklärt Rechtsanwalt Guido Zians. "Wenn man die Gesamtsituation festhält, lässt sich eine spätere Diskussion ganz einfach vermeiden."
Im Interesse der Anlieger
Den Vermerk, man verliere jedes Recht auf Entschädigung, insofern man keine Bestandsaufnahme vollziehe, hält der Jurist jedoch für gewagt. "Der Landmesser hat hier vielleicht ein bisschen abenteuerlich geschrieben. So kann man das nicht sagen. Wenn Schäden entstehen, dann ist derjenige, der sie verursacht hat, verantwortlich. Ob es vorher eine Bestandsaufnahme gegeben hat oder nicht, spielt keine Rolle", sagt Zians. "Falls es jedoch keine Bestandsaufnahme gegeben haben sollte, stellt sich die Frage, ob die Schäden schon vorher bestanden haben oder nicht. Es kann also auch im Interesse der Anlieger sein, die Bestandsaufnahme zu machen."
Vor dem Hintergrund der am 25. Mai eingeführten Datenschutzverordnung stellte sich zudem die Frage nach der Verwendung der Fotos. "In diesem Schreiben ist in der Tat zu vermissen, dass dazu keine Angaben gemacht werden. Das könnte aber noch nachträglich erfolgen. Es wäre Sache des Unternehmens oder des Landvermessers mitzuteilen, zu welchem Zweck und wie lange diese Daten aufbewahrt werden. An sich ist das dann nicht weiter problematisch", sagt Zians.
Bisher ist nur klar, dass die Anwohner ein schriftliches Dokument der Bestandsaufnahme erhalten werden, welches es dann zu unterschreiben gilt. Laut Bürgermeister Hans-Dieter Laschet wird dies in deutscher Sprache sein. Was darüber hinaus aus den Fotos wird, bleibt unklar. Landvermesser Guy Genot stand dem BRF auf Nachfrage nicht für ein Interview zur Verfügung.
js/mg