Die Kontroverse um die Rückkehr der Wölfe geht bis ins Europaparlament in Brüssel. Dort wurden in dieser Woche Experten angehört zum Thema "Weidewirtschaft und wie sie mit der Rückkehr der Wölfe zusammenpasst - oder auch nicht".
Georges Stoffel und Bruno Lecomte halten nicht viel von der Begeisterung um den Wolf. Beide sind Viehhalter, der eine in Graubünden, der andere in den Vogesen. Aus ihrer Sicht und Erfahrung werden die möglichen Folgen unterschätzt.
Für den Schweizer Georges Stoffel ist ein Abstecher vom Europaparlament nach Ostbelgien so etwas wie ein Heimatbesuch: Seine Mutter kommt aus Sourbrodt, er war als Kind häufig bei der Familie und ist an der Bischöflische Schule in St. Vith zur Schule gegangen. Darum ist ihm auch besonders daran gelegen, die Menschen hier auf die Rückkehr des Wolfes aufmerksam zu machen. Denn dass er zurückkomme, daran könne es keinen Zweifel geben: "Es hat rund um dieses Gebiet Wölfe gegeben, in Holland, Deutschland, am Niederrhein, auf der französischen Seite. Und man hat ja auch in Belgien schon Wölfe gesehen. Die Wölfe sind im Anmarsch."
Und die Region biete dafür beste Voraussetzungen, stellt Georges Stoffel fest: "Ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß. Euer Gebiet hier ist sowieso ein dünn besiedeltes Naturgebiet. Das ist prädestiniert für die Wolfsansiedlung in Belgien. Es gibt wohl kaum ein so großes natürliches Gebiet wie hier. Und dann ist in der Nähe der Nationalpark Eifel. Speziell dieses Gebiet mit dem Hohen Venn, den Ardennen - das wird ein Schwerpunktwolfsgebiet, ganz sicher, und ist auch als solches geplant."
Und zwar geplant von langer Hand, sagen Georges Stoffel und sein Mitstreiter Bruno Lecomte. Unter dem Dach der Weltnaturschutzunion IUCN arbeiten Naturschutzorganisationen schon seit sechs Jahrzehnten daran, wieder Großraubtiere in dünn besiedelten Naturgebieten einzuführen: "Das betrifft nicht nur den Wolf, sondern auch den Bären, den Luchs und so weiter." Man spricht auch von den großen Beutegreifern. Unter der Leitung des italienischen Biologen Luigi Boitani berät eine Gruppe von Fachleuten aus Europa die EU-Kommission in diesen Fragen: "Das ist die Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE), also ein europäisches Projekt."
Mit einem entsprechenden Aktionsplan. Dabei kommt der Wolf doch ganz von alleine, dachten wir. "Naja, das ist eine heikle Frage. Der kommt auch von alleine. Wenn er mal etabliert ist, müssen die zweijährigen Wölfe das Rudel verlassen und die suchen sich neue Gebiete. Aber in ihren Aktionsplänen beschreibt die LCIE aber auch, dass man isolierten Beständen Wölfe hinzufügen kann, um die Genetik aufzubessern, dass man Wölfe einfangen und an andere Orte bringen kann. Und auch freisetzen in neue Gebiete. das ist bestimmt auch passiert, davon kann man ausgehen und es steht in ihren Plänen. Es ist die halbe Wahrheit zu sagen "Der Wolf kommt von selber". Das stimmt, aber man muss es schon hinterfragen", so Georges Stoffel.
In Graubünden und in den Vogesen, wo Georges Stoffel und Bruno Lecomte leben, ist der Wolf längst angekommen - wie auch in vielen anderen Regionen, wo er lange verschwunden war. Das erfüllt die Viehhalter mit Sorge, denn auch, wenn Wölfe als menschenscheu gelten, bleiben sie dafür nicht unbedingt im Wald. Bruno Lecomte berichtet von häufigen Rissen bei seinem Nachbarn und auch seiner Ziegenzucht haben sie sich schon bis auf 50 Meter genähert. Für die Schweiz bestätigt Georges Stoffel: "Es ist für Wölfe einfacher, Nutztiere zu reißen. Das lernen die sehr schnell. Es gibt ja auch bei uns viel Wild und da bedienen sich die Wölfe auch. Man wirbt damit, dass Wölfe eigentlich kranke und schwache Tiere reißen. Aber nicht lange und sie greifen auf Nutzvieh zurück, weil das viel einfacher ist. Diese Erfahrung macht man überall."
Und hier liegt für die Viehhalter der Knackpunkt: "Tatsache ist, dass wir in Europa jetzt schon mindestens 20.000 Wölfe haben. Wir müssen ein Stück weit auch damit leben, weil er geschützt ist." Grundlage dafür ist die Berner Konvention, die 1982 in Kraft getreten ist und von vielen Ländern und der Europäischen Union ratifiziert wurde. "Wir wollen uns schon besser schützen können. Diejenigen, die den Wolf wollen, sagen, das geht, das klappt. Man muss nur genügend Herdenschutz machen."
Stephan Pesch