Mit dem 1. Mai verbinden viele Menschen den Beginn der Frühlingszeit. Über die Jahrhunderte haben sich viele Maibräuche etabliert, Maigesellschaften sind entstanden, geschmückte Maibäume werden als Liebesbotschaften an Hauswänden oder auf Hausdächern angebracht, große Maibäume auf Dorfplätzen aufgestellt, Maiköniginnen gekürt.
Brauchtumsforscherin Dr. Dagmar Hänel vom LVR, Institut für Landeskunde, kennt sich mit diesen Bräuchen bestens aus. Sie hat nämlich den Ursprung und Hintergrund von Maibräuchen untersucht, darunter beispielsweise auch die Tradition des Maibaums. "Der Maibaum hat eine sehr lange Tradition, obwohl sich die im Laufe der Jahre auch immer wieder verändert hat", weiß Dagmar Hänel.
Zu unterscheiden ist hier der persönliche Baum, der vom Verehrer vor dem Haus der Angebetenen befestigt wird, und der öffentliche Maibaum, der beispielsweise auf dem Dorfplatz aufgestellt wird. "Der Maibaum, um den man herum tanzt, stammt aus dem Mittelalter. Damals stellte man Tanzbäume zu bestimmten Festen auf", erklärt Hänel im BRF-Interview.
"Beim Baum, den man für seine Angebetete aufstellt, gibt es verschiedene Formen. Die Tradition wird zum Beispiel gerade im dörflichen Raum viel über Vereine gepflegt, meistens sogenannte Junggesellenvereine. Diese Vereine sind ab dem 18. Jahrhundert entstanden, ganz besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert."
Dieser Entwicklung zugrunde lag etwas sehr Pragmatisches. "Dass sich Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter einfach so locker kennenlernen können, passierte eigentlich erst im 20. Jahrhundert. Man wurde freier im Umgang der Geschlechter miteinander. Das war in früheren Zeiten eben nicht so. Es gab feste Regeln, wann sich Mädchen und junge Männer kennenlernen konnten. Und eben dazu gehörte auch der Maibrauch."
Im Prinzip also eine Art Kontaktbörse im 19. Jahrhundert. "Dass das heute immer noch in so vielen Orten praktiziert wird, ist eigentlich ein Anachronismus und nicht mehr wirklich passend. Aber der Brauch erzählt etwas über die Befindlichkeit unserer Gesellschaft aktuell. Es herrscht Unsicherheit, ein rapider Wandel und es geht immer schneller. In solchen Situationen bekommen Traditionen und Bräuche eine ganz wichtige Funktion zur Vermittlung von Sicherheit und regionaler Gemeinschaft", erklärt Hänel.
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