Einer fehlte auf der Anklagebank an diesem zweiten Prozesstag: Nico Halmes. Sein Anwalt Didier Cremer richtete aus, sein Fehlen sei nicht als Missachtung des Gerichts zu verstehen. Vielmehr glaube sein Mandant, an diesem Tag nichts mehr beitragen zu können. Die Vorwürfe des Sozialbetrugs und der Fälschung hätten das Urgestein der Erwachsenenbildung und den Idealisten Halmes schwer getroffen.
Das gilt auch für Patrick Kelleter, der ebenso seinen Leumund zu Unrecht beschädigt sieht und dennoch der Verhandlung beiwohnte. Kelleters Verteidiger Patrick Thevissen bediente sich aller Instrumente rhetorischer Anwaltskünste, um seine These zu belegen. Nichts, aber auch gar nichts sei dran an den Beschuldigungen. Weder materiell noch moralisch habe sich Kelleter irgendetwas zu Schulden kommen lassen.
Die zentrale Frage, ob es bei der "Raupe" in Richtung der Gesellschaften Regiomarché und Energie 2030 eine illegale Arbeitnehmerüberlassung gegeben habe, sei mit einem klaren Nein zu beantworten. Alles sei transparent, ausgestattet mit nachvollziehbaren Verträgen und regelkonform abgelaufen. Und dabei sei man dem Auftrag einer Bildungsorganisation, nämlich Menschen an Arbeit heranzuführen durch Ausbildung und "learning by doing", gerecht geworden. Niemals habe jemand bei der "Raupe" ein böses Konstrukt ersonnen zur Besorgung billiger Arbeitskräfte.
Hypothesen statt Beweise
Moralisch könne man erst recht keinen juristisch haltbaren Vorwurf konstruieren, weil schon der Sachvorwurf nicht stimme und im übrigen keiner der Angeklagten profitiert habe. Nicht ein Cent sei abgezweigt worden in die eigene Tasche. Profitiert hätten durch den nahen Praxis- und Realitätsbezug ausschließlich jene, die weitergebildet wurden. Die Staatsanwaltschaft sei von Hypothesen ausgegangen, nicht von Beweisen. So fehle etwa ein Dokument, das irgendeine Fälschung belege.
Die DG, so Thevissen, interessiere es im Grunde nicht, was in dem Strafverfahren entschieden werde. Sie habe schon vor Eröffnung des Verfahrens Fakten geschaffen und der Einrichtung "Raupe" die Förderung komplett entzogen. Man habe die Raupe einfach töten wollen. Jetzt verlange die DG alle Fördermittel seit 2014 zurück, was ein Unding sei. Dabei habe sich längst herausgestellt, dass der Berg eine Maus gebiert und die ursprüngliche Mammutakte auf Null schrumpfe.
Nico Halmes' Verteidiger Didier Cremer argumentierte gleich: Es sei unheimlich viel ermittelt worden, aber die Anklage sei strafrechtlich implodiert. Auch der Verteidiger der "Raupe", der als Liquidator tätige Edgar Duyster, sowie der Anwalt der mitangeklagten Gesellschaften Regiomarché und Energie 2030, Bernd Hübinger, forderten Freispruch von sämtlichen Beschuldigungen.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der ersten Sitzung vor neun Tagen gegen Kelleter und Halmes dreimonatige Haftstrafen auf Bewährung wegen Fälschung, Gebrauch von Fälschung und Sozialbetrug verlangt. Zusätzlich, so Andrea Tilgenkamp, Prokurator des Königs, sollten die angeklagten Parteien Geldstrafen von jeweils 2.000 Euro zahlen.
DG wollte "Raupe" nicht töten
Als Zivilpartei hatte die Deutschsprachige Gemeinschaft zu Beginn des Verfahrens die Rückzahlung sämtlicher Zuschüsse seit 2014 in Höhe von rund 250.000 Euro verlangt. Davon rückte DG-Anwalt Guido Zians am Mittwoch jedoch ab. Die Beschuldigten sollten "nur" noch das erstatten, was "durch arbeitsrechtliche Straftaten an Schaden entstanden ist".
Zians bestritt den Vorwurf, die DG habe die "Raupe" töten wollen. Die DG habe ihr viel Zeit eingeräumt, um ein Schmetterling zu werden. Jahrelang sei man der "Raupe" nachgelaufen, um die notwendigen Unterlagen zu bekommen. Dass aus den Ermittlungen eine Strafsache geworden sei, habe nicht die DG zu verantworten. Zians bedauerte, dass "alle anderen Unregelmäßigkeiten" im Verfahren nicht behandelt würden, und die Staatsanwaltschaft sich auf die sozialrechtliche Ebene beschränkt habe. Der verwaltungsrechtliche Teil der Angelegenheit liege jetzt als Akte beim Staatsrat.
Richterin Nathalie Corman kündigte an, das Urteil am 12. März zu sprechen.
Rudi Schroeder