Soll ich mein Kind überhaupt impfen lassen? Und wenn ja, wogegen? Welche Krankheiten sind so gefährlich, dass man gegen sie geimpft sein sollte? Die Verunsicherung ist groß. Obwohl man gesichert weiß: Schutzmittel etwa gegen Windpocken, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis, Kinderlähmung oder Masern verhindern jedes Jahr weltweit geschätzt fast sechs Millionen Todesfälle.
In Belgien und auch in unserer Region hat die Debatte um Impfungen gegen die gefährliche bakterielle Meningitis Fahrt aufgenommen - nicht zuletzt wegen tödlich verlaufener Fälle sozusagen in der Nachbarschaft.
Keine Empfehlung in der DG
Beispielhaft für die Verunsicherung ist die Diskussion um Impfungen gegen Meningokokken B. "Seit 2013 gibt es in Europa effektiv einen neuen Impfstoff gegen Meningokokken B. Dieser Impfstoff wird jetzt systematisch in England - als einzigem europäischen Land - kostenlos zur Verfügung gestellt und routinemäßig geimpft. In Belgien gibt es diese Empfehlung nicht - auch nicht für die Deutschsprachige Gemeinschaft - , denn wir beruhen uns auf die Empfehlungen des Hohen Rats für Gesundheit", erklärt Mireille Thomas, Referentin für Gesundheitsförderung im Ministerium der DG.
Was sind die Gründe für die nach wie vor fehlende Empfehlung? "Es gibt keine klinische Studie, keinen wissenschaftlichen Nachweis, der belegt, dass die Menschen, die geimpft wurden, seltener eine Meningokokken-Infektion haben als andere. Hinzu kommen Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes. Bei diesem Impfstoff kommt es häufiger als bei Standardimpfungen vor, dass die Kinder Nebenwirkungen haben", so Thomas weiter.
"Richtiger Rush" in Ostbelgien
Der Impfstoff ist teuer: Rund 86 Euro werden für eine einmalige Gabe fällig, aber zwei bis drei pro Kind sind erforderlich. Die Zahl der Menschen in Ostbelgien, die sich für eine Meningokokken-B-Impfung entscheiden, steigt - aus guten Gründen. "Mitte November ging das richtig los, nachdem es einen Unfall in Montzen gab. Mehrere Kinderärzte haben dann angefangen, das zu verschreiben. Das war dann auf einmal ein richtiger Rush. Vorher war das nicht im Handel und auch sehr unbekannt, aber seitdem wird es enorm viel verschrieben und bei uns verkauft", sagt Apotheker Ralph Mertens.
Nicht alle Kinderärzte raten zur Impfung gegen Meningokokken B. Die im Eupener Krankenhaus tätigen Kinderärzte wollten sich auf Anfrage des BRF nicht vor der Kamera äußern. Oft wird die Entscheidung den Eltern überlassen, die sich damit nicht selten überfordert fühlen.
Obwohl die Impfung gegen den B-Erreger auch in Deutschland nicht ins Impfschema aufgenommen wurde, entschließen sich auch in Aachen immer mehr Pädiater, die Eltern von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen. "Ohne Frage ist diese Impfung empfehlenswert. Die Meningokokken-Erkrankung ist immer noch eine gefährliche Erkrankung mit Todesfällen. Wenn die Erkrankung zum Stillstand kommt, dann bleiben Schäden zurück, die nicht immer rückgängig zu machen sind - auch nicht durch anschließende Behandlungen", erklärt Dr. med Wolfgang Kohler, Kinder- und Jugendfacharzt.
Risiken
Und wie hoch oder niedrig sind die Risiken der Meningokokken-B-Impfung einzuschätzen? "Die Gefahr durch die Erkrankung Schaden zu nehmen, ist ungleich höher als die durch den Impfstoff Schaden zu nehmen. Es ist ein erprobter Impfstoff, der in langjährigen Untersuchungen geprüft wurde, bevor er auf den Markt gekommen ist. Es ist nicht zu befürchten, dass durch diesen Impfstoff Schäden entstehen, die den Impfstoff in Frage stellen könnten", sagt Dr. Kohler.
Ein Grund für die ablehnende Haltung der Krankenkassen ist die aus ihrer Sicht ungünstige Kosten-Nutzen-Rechnung, nicht zuletzt wegen der relativ geringen Zahl von Erkrankungen. Laut Statistik gab es 2016 landesweit 108 Fälle, in Ostbelgien in den letzten Jahren im Schnitt einen Fall. Und die fehlende Impfempfehlung tut ihr übriges.
Das Thema Meningokokken B zeigt: Die Verunsicherung bleibt, die Standpunkte - auch von Fachleuten - sind teils konträr. Wie sollten sich Eltern verhalten? Am besten: Fragen sie den Kinderarzt ihres Vertrauens!
rs/mg