Anfang August 2013: In London herrscht großer Medienandrang. Alle sind für einen Hamburger gekommen. Dieser ist einmalig auf der Welt: Er kommt nämlich aus der Retorte und wurde an der Uni Maastricht entwickelt. Der Medizin-Professor Mark Post ist einer der Köpfe hinter dem Projekt. Es entstand aus der Feststellung, dass die Weltbevölkerung ständig wächst und die Welt zu ernähren, eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist.
Vor dem Hintergrund der verheerenden Folgen der Massentierhaltung auf die Umwelt fanden die Wissenschaftler diese Lösung: "Fleisch besteht aus Muskeln eines Tieres. Mit unserer Technologie produzieren wir Fleisch, es kommt nicht vom Rind. Ich bin Arzt und forsche im kardiovaskulären Bereich. Wir produzieren Gewebe und Blutgefäße für Beipasskonstruktionen. Diese Stammzellentechnik ist geeignet, um Rinderzellen zu züchten. Wir entnehmen einige Muskelstammzellen eines Rinds und brauchen nicht viel beizusteuern, damit diese Zellen das Richtige tun. Sie teilen sich von alleine, organisieren sich und werden zu Muskeln. Es genügen nur einige Zellen, um zehn Tonnen Fleisch herzustellen", erklärt Professor Post.
Das war vor fünf Jahren. Der Hamburger bestand den Geschmackstest nicht, doch inzwischen hat sich viel verändert. Jetzt ist Mark Post einige Schritte weiter. Weil das Fleisch aus der Retorte eines Tages vermarktet werden soll, wurde ein Start-Up-Unternehmen gegründet. Post ist dort Chef-Wissenschaftler.
Unter den Geldgebern ist auch ein prominenter und vor allem reicher Zeitgenosse, der an die Zukunft des Hamburgers aus der Retorte glaubt, nämlich der Google-Mitbegründer Sergey Brin. "Es gibt drei Lösungen: Entweder wir werden Vegetarier - aber daran glaube ich nicht -, oder wir ignorieren die Probleme und nehmen unter anderem die ökologischen Folgen in Kauf, oder wir machen was Neues", sagt Brin.
Hunderte Stammzellen teilen sich immer wieder und verwandeln sich. Nach 50 Tagen Zeit entstehen Muskelfasern, also Fleisch. Doch bis der Burger industriell hergestellt wird, werden noch einige Jahre vergehen. Post rechnet mit drei oder vier Jahren.
War der erste Laborhamburger 250.000 Euro wert, wird der Preis heute auf 60 Euro pro Kilo geschätzt. "Wenn wir in 20 Jahren den Supermarkt betreten, werden wir zwei ähnliche Produkte haben: Ein Produkt besteht aus Fleisch von Tieren, die getötet wurden, darauf kommt noch eine Ökosteuer. Und das andere ist dann ein alternatives Produkt, das aus dem Labor stammt. Es schmeckt genauso gut und ist von gleicher Qualität, kostet ebenso viel oder weniger. Was wählen Sie?", fragt Professor Post.
Ziel ist es, die Technologie im größeren Maßstab umzusetzen und damit auch den Preis zu reduzieren, denn je mehr produziert wird, umso billiger wird es. Für die Wissenschaftler ist es der Start eines neuen Industriezweigs.
Chantal Delhez