Ernüchterung
2017 verloren die DG-Bürger ihre virtuelle Heimat, in der sie sich seit fast 50 Jahren eingerichtet hatten, seit den 1970er Jahren: die Euregio. Nun, die Euregio haben sie nicht verloren, aber ihren Glauben daran. Auch nicht alle Ostbelgier, aber viele von ihnen.
Erst gibt es die drohende deutsche Ausländermaut, dann den Wegfall der der Krankheitsversorgung über das IZOM-Abkommen, in dem die Nutznießer nicht an den Kosten der belgischen Sozialversicherung beitragen mussten. Unter den Folgen von oftmals leichtfertigem Zugriff leiden jetzt ausgerechnet solche Patienten, denen der alleinige medizinische Aspekt wichtig war. Die Nachfolgeregelung deckt nicht alle Problemfelder und -Fälle ab, etwa bei den Medikamenten. Die "Ostbelgienlösung" ist zudem noch stets im Probelauf.
Krankenhäuser und Ärztemangel
Diesmal macht das Krankenhaus in Eupen Schlagzeilen. In Kelmis entsteht unterdessen eine Art Polyklinik in der Form ärztlicher Zusammenarbeit: Sie soll Hausärzte anziehen und sieht sich als Ergänzung zum Eupener Krankenhaus. Ärztehäuser und Zuwendungen der Gemeinschaftsregierung sollen den Ärztemangel lindern.
Medizinstudenten deutscher Muttersprache sind von den Zulassungsprüfungen zum Medizinstudium betroffen. Die frankophonen Fakultäten müssen ihren Widerstand aufgeben, und daraus erwächst den deutschsprachigen Studenten dort ein zusätzliches Problem. Ob sich eine DG-eigene Lösung verwirklichen lässt, muss sich zeigen. Die Minister der Französischen Gemeinschaft machen entsprechende Andeutungen.
Bürgermeister im Fokus
Die gute alte Interkommunale scheint ein Auslaufmodell. Die langjährige Dreiecksbeziehung zwischen Stromerzeuger, Gemeinden und politischen Mandatsträgern plustert sich zur Aktiengesellschaft mit der undurchsichtigen Struktur eines operativen Mischkonzerns mit Namen Nethys, beim politischen Dachorgan Publifin werden Anwesenheitsgelder zu üppigen Gehältern. Späte Einsicht des Lontzener Bürgermeisters Lecerf, der einen Rücktritt ausschließt. Er will darauf warten, welcher Modus der Rückzahlung ihm auferlegt wird. Der Flurschaden ist groß.
Sozialbetrug?
Rund 20 Gewerkschaftsaktivisten demonstrieren vor dem Gelände des Transportunternehmens Jost Group in Lüttich-Bierset gegen die Missstände im Transportwesen. Die Justiz ermittelt wegen des Verdachts auf Sozialbetrug.Der Firmenchef und drei seiner Führungskräfte müssen vorübergehend in U-Haft.
Bei den "Jobs Days" in Lüttich zeigt sich die Firma offensiv: Sie arbeite weiterhin mit den Ermittlern zusammen und bestreite Sozialdumping. Seit 2008 habe man mehr als 900 Arbeitsverhältnisse nach belgischem Recht geschaffen und 30.000 Fortbildungsstunden geboten. Damit stelle das Unternehmen seinen Willen unter Beweis, den Standort im Trilogiport am Lütticher Binnenhafen auszubauen, lobt sich die Firma.
Tihange
Kommentiert man 2017, schlagen sich auch die globalen Themen Klimaschutz, Energiesicherheit und die von vielen Menschen gewünschte Energiewende auf regionaler Ebene nieder. Zigtausende Menschen bilden eine Menschenkette bis zum AKW Tihange. Sie vertrauen nicht den Aussagen des Betreibers und der Aufsichtsbehörde. Es hätten 10.000 mehr sein sollen, um die 90 Kilometer lange Kette bis Aachen zu schließen, aber Organisatoren und Teilnehmer werten ihre Initiative als vollen Erfolg.
Elia, der Betreiber des Hochspannungsnetzes, arbeitet weiter an der Ostbelgienschleife für grünen Strom und an der Verbindung nach Deutschland hin, von wo sich der neue Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, anbietet, seinen schmutzigen Braunkohlestrom nach Belgien hin zu verramschen. Stichwort Braunkohle: Das Aktionsbündnis "Ende Gelände" protestiert im Rheinischen Revier bei Aachen. Die Teilnehmer kommen aus dem bürgerlichen, aus dem linken und dem autonomen Spektrum. Je nach Wetterlage erlebt die Region Belastungsspitzen an Feinstaub.
Justiz
Überall werden im Land die Wege zum Friedensgericht länger. Doch anders als vielerorts fällt der Kanton St. Vith nicht weg und es bleibt die Möglichkeit, dort weiterhin Sitzungen abzuhalten. Nach 30 Jahren erhält der Gerichtsbezirk deutscher Sprache ein funktionales Gerichtsgebäude, seit Jahrzehnten überfällig, und schon von der Entwicklung eingeholt: Justizminister Koen Geens weist auf die Herausforderungen der Digitalisierung und die Gefahren der Verschlüsselung von Nachrichten hin.
DG-intern
Gutes Trinkwasser - das ist in allen Gemeinden ein großes und wichtiges Thema. In Amel ist eines der letzten Projekte die Aufbereitungsanlage im Wolfsbusch bei Deidenberg und Montenau. In Bütgenbach bleibt die Opposition dabei, es gebe in Elsenborn Stellen, an denen das Trinkwasser nicht in Ordnung sei, zumindest dort, wo noch alte Leitungsrohre liegen. In einem Grenzort wie Küchelscheid empfiehlt die Opposition den Anschluss ans deutsche Trinkwassernetz, das Kollegium stimmt zu.
Und nochmal die DG als Teil globaler Entwicklungen: 2017 wird ein Integrationsparcours für Einwanderer verabschiedet. Haushaltspolitisch beendet die Regierung das Jahr mit einer sogenannten schwarzen Null. Ein historischer Begriff feiert Auferstehung: "Ostbelgien". Ein alter Begriff, doch mit neuer Aufgabe, nämlich als "Standortmarke" zu fungieren - in "diesem wundersamen Landstrich im Herzen Europas", wie es im Werbefilm heißt.
Frederik Schunck