Auch dem mächtigen Generalgouverneur für die Ostkantone Herman Baltia begegnet der Pfarrer herablassend in Wort und Schrift.
"Sein Anliegen, und das hat er auch gesagt, war es eben, das System sowohl im Bereich des Schulwesens, als auch im Bereich der allgemeinen Verwaltung zu entlarven. Es war also schon sein Anliegen, klar zu machen, dass er nicht mit diesem Staatenwechsel einverstanden war", so der Buchautor und Bibliothekar Wilfried Jousten.
Die Fehde blieb nicht ohne Folgen, Baltia forderte den Lütticher Bischof dazu auf, den Pfarrer zu suspendieren oder zu versetzen. "Das Verfahren wurde in Lüttich initiiert, endete damit, dass der Pfarrer seines Amtes enthoben und suspendiert wurde. Dagegen hat er dann Beschwerde eingelegt, die bishin nach Rom führte", berichtet Jousten.
Pfarrer Joseph Thomas, der den belgischen Staat herausforderte, war nicht verlegen, sich selbst gegen die Einmischung dieses Staates in Kirchenangelegenheiten zu wehren. Ein Fall, der sogar den Papst beschäftigen sollte.
"Das eigentliche an dieser Geschichte, die an sich eine simple Personalie gewesen wäre, war, dass das Ganze auf einer politisch motivierten Anklage oder Grundlage basierte, die eben darin bestand, dass der Gouverneur den Bischof aufgefordert hat, einen Priester seines Amtes zu entheben oder ihn zu versetzen. Und das war sowohl kirchenrechtlich als auch staatskirchenrechtlich äußerst bedenklich", erläutert der Buchautor und Kenner des Falls Wilfried Jousten.
Ranghohe deutsche Kardinäle setzten sich bei der Kurie für Pfarrer Thomas ein. Er selbst wollte den Papst persönlich sprechen, doch aus Sicht Roms war der Fall eine lästige Lappalie, die aber zu einem Problem hätte führen können: Der Vatikan war besorgt, einen folgenschweren Präzedenzfall zu schaffen.
"In den übrigen Teilen, die nach dem Versailler Vertrag vom deutschen Reich abgelöst worden sind, gab es ja auch Bestrebungen, die kirchenrechtliche Konsequenzen hatten. Nur waren da zum Teil größere Gebiete, mehr Einwohner und auch finanzielle Hintergründe gegeben, die mit der Situation in Eupen-Malmedy aber nicht vergleichbar waren", so Jousten.
Dem Vatikan war an einer weiteren Eskalation im Fall Joseph Thomas nicht gelegen. Nach der Konfliktlösung kehrte der Geistliche in sein ursprüngliches Heimatbistum Köln zurück.
"Man hat eine Lösung gefunden, indem man ihm eben eine neue Pfarrei anvertraut hat im Erzbistum Köln. Dazu mus man ja nun wissen, aufgrund des Versailler Vertrags hat er, der ja deutscher Bürger war, die belgische Staatsangehörigkeit erlangt und im Rahmen dieses Verfahrens hier ist er dann wieder 1924 nach Deutschland zurückgekehrt ins Erzbistum Köln, hat eine Pfarre im Kreis Heinsberg, die Pfarre Doveren übernommen und hat auch wieder die deutsche Staatsangehörigkeit zurückbekommen."
Buchautor Wilfried Jousten gesteht, dass er Pfarrer Thomas im Grunde sympathisch findet, auch wenn er in vielerlei Hinsicht sehr dreist gewesen sei. Für seine Rückkehr ins Bistum Köln und die Wiedererlangung der deutschen Staatsangehörigkeit hat er - im wahrsten Sinne des Wortes - keinen zu hohen Preis bezahlen wollen. So forderte er die römische Kurie auf, ihm die Summe von 26.500 belgischen Franken zu bewilligen.
Text und Fotos: Manuel Zimmermann