"Ich bin Mama, ich bin Kindergärtnerin, Putzfrau, Tante - alles Mögliche. Ich bin auch Freundin. Und ich schimpfe auch mit ihnen", erzählt Grazyna Glowania. Seit 16 Jahren leitet die gebürtige Polin die Integrationsklasse an der Grundschule Manderfeld.
Ihre Schüler sind Kinder und Jugendliche aus dem nahegelegen Asylbewerberheim. Damit ist sie an vorderster Front, wenn es um problematische Verhaltensweisen geht, wie sie in Flandern aufgefallen sind.
"Man muss sich anpassen"
Und dass Jungen Mädchen nicht die Hand geben wollen oder Mitschüler wegen ihrer Religion beschimpfen, hat sie schon oft erlebt. "Es vergeht fast kein Tag, wo ich nicht sage: Nein, wir sitzen hier zusammen. Hier arbeiten alle zusammen, Mädchen und Jungen sind gleich. Und wenn man hier in der belgischen Schule lernen will und in Belgien arbeiten will, dann muss man sich anpassen."
"Bei den Kindern geht das. Die älteren Jungen haben es manchmal schwer, damit umzugehen. Weil sie von zuhause mitbekommen: Das Mädchen muss nicht viel lernen, du bist der Chef und du bestimmst, was zu tun ist."
In solchen Fällen von radikalisierten Kindern zu sprechen, hält Grazyna Glowania aber für übertrieben. Die Kinder kämen oft traumatisiert von Krieg und Flucht hier an, kennen nur eine völlig andere Kultur und kopierten vor allem Verhaltensweisen aus ihrem privaten Umfeld.
Sie erkennt sich selbst in den Kindern wieder, mit Unsicherheit und Angst vor Neuem. "Sie spüren, dass ich die Person bin, mit der sie sprechen können. Ich habe zu den Kindern schneller Zugang, weil ich Ausländerin bin."
"Wir sind frei"
Grazyna Glowania hat Unterdrückung und Angst unter dem kommunistischen Regime in Polen selbst noch erlebt. Die Freiheit hier in Westeuropa weiß sie besonders zu schätzen, und verteidigt sie deshalb auch vehement im Unterricht. "Jedes Mal wird das erklärt. Das ist meine Aufgabe. Damit die Kinder verstehen: Ich kann nicht machen, was ich will. Ich muss mich anpassen. Aber wir sind freie Männer und Frauen und wir sind gleich. Gleichheit ist Freiheit."
Das Problem in solchen Fällen sind also nicht die Kinder, sondern die Eltern. Hier muss die Lehrerin viel Charakterstärke zeigen, um sich durchzusetzen. Als beispielsweise ein Vater ihr zur Begrüßung nicht die Hand schütteln wollte, hat sie nach dem Grund gefragt. "Er hat gesagt: Es ist eine Schande, einer Frau die Hand zu geben. Ich habe geantwortet: Bei uns ist eine Schande, einer Frau die Hand nicht zu geben."
Auf weitere Diskussionen mit den Eltern lässt sich Grazyna Glowania gar nicht ein, das bringe eh meist nichts, sagt sie. Wenn allerdings Verhaltensweisen zu krass werden, wenn Gewaltbereitschaft im Spiel ist oder gar keine Einsicht bei den Kindern erreicht werden kann, dann geht sie zu den Betreuern im Asylbewerberheim, die sich mit den Eltern auseinandersetzen und im Extremfall und bei echter Gefahr von Radikalisierung auch die Polizei verständigen.
ake/km - Archivbild: BRF