Vor vierzig Jahren wurde in der demokratischen Landschaft Belgiens ein gewaltiger Umbruch vollzogen: Von 2.359 Gemeinden blieben durch die Gebietsreform noch knapp unter 600. Im deutschen Sprachgebiet wurden aus 25 Altgemeinden die heutigen neun.
Zu denjenigen, die diese Fusion als Gemeindepolitiker aktiv mitgestaltet haben, gehört Büllingens Ehrenbürgermeister Gerhard Palm. Der heute 70-Jährige hatte in der neuen Großgemeinde Büllingen unter dem kürzlich verstorbenen Bürgermeister Franz Hagelstein das Amt des Schul- und Vereinsschöffen angetreten.
"Ich erinnere mich noch an das große Spruchband, was zwischen den Gemeinden Büllingen und Rocherath aufgehängt worden war: 'Fusionen Nein'. Alle hatten sich gegen diese Zwangsfusionen gewendet. Letztlich musste man dann aber trotzdem mit dieser Entscheidung von oben herab leben. Und trotz aller Skepsis, trotz aller Bedenken das Beste daraus machen", sagt der heute 70-Jährige im BRF-Interview.
"Eine besondere Schwierigkeit: In allen Altgemeinden gab es gewisse Vorrechte, besondere Regelungen oder besonders niedrige Steuersätze, etc. Und natürlich wollte jeder seine eigenen Vorrechte wahren. Aber dann wollten die anderen die auch haben. Das war ein ständiger Prozess des Angleichens: Wie kriegen wir das denn jetzt am besten hin, damit niemand sich mehr benachteiligt fühlt?"
"Ich war zum Beispiel zuständig für die Schulen, wie die Anschaffungen der Hefte oder die Schulhaushalte. Das war unheimlich kompliziert, weil man den verschiedensten bisherigen Regelungen Rechnung tragen musste und das dann nach und nach auf einen Nenner bringen musste", so Palm.
Start bei null
Nicht einfacher wurde es dadurch, dass die neuen Kollegen einander überhaupt nicht kannten und auch nicht wussten, was in den anderen Gemeinden läuft. "Auf Verwaltungsebene hatte es, glaube ich, überhaupt keine Kontakte gegeben. Im ersten Kollegium waren wir zu fünft, die noch nie in einem Kollegium gewesen waren. Wir mussten praktisch bei null starten und uns erstmal schlau machen, was wie wo und überhaupt läuft."
Gerhard Palm nennt ein konkretes Beispiel: "Wir haben ja jetzt Winterzeit. Wie fahren denn die Schneepflüge? Oder wann fahren die Schneepflüge? Das ist so ein Detail, das dann geklärt werden musste. An Vorbereitung gab es meines Wissens hier so gut wie gar nichts."
"Ich glaube, im Nachhinein muss man auch dem Personal, das damals zusammenarbeiten musste und sich zum Teil auch nicht kannte - dem Personal im Gemeindehaus, den Gemeindearbeitern, den Lehrpersonen - ein dickes Kompliment machen, dass sie mitgeholfen haben, dass nach und nach zusammenwuchs, was nun zusammengehörte."
Fusion nein, Föderation ja
Weiteren Gemeindefusionen, wie sie etwa in der Provinz Limburg diskutiert und vollzogen werden, erteilt Palm eine Absage - kein Bedarf. "Die Gemeinden, wie sie jetzt sind, funktionieren meines Erachtens her alle gut. Und insbesondere auch dank der Entwicklung im Parlament in Eupen, mit den unheimlich vielen Bezuschussungsmöglichkeiten, die es heute im Vergleich zu damals gibt. Da stehen alle Gemeinden sehr gut da."
Allerdings sollte man darüber nachdenken, die Kooperationen zu verstärken, meint Palm. "Allerdings gibt es ja jetzt sowohl im Norden wie im Süden übergemeindliche Zusammenarbeit im Bereich Altenheime, Krankenhäuser, Hilfeleistungszonen, Polizeizonen und was es noch so gibt. Oder jetzt den gemeinsamen Windpark Amel-Büllingen."
"In dem Rahmen wäre es sinnvoll - und dann greifen wir das alte Thema der Föderation wieder auf - ein Gremium zu schaffen, das aus gewählten Mandataren besteht und auch politisch verantwortlich ist. Damals war die Idee, ein Gremium für diese Bereiche in Personalunion mit dem RDK, oder heute mit dem Parlament, zu machen. Dann hätten wir das Thema der Provinz auch geklärt."
sp/km - Bild: Stephan Pesch/BRF