Nicht jeder Entführungsfall ist am Ende tatsächlich einer. Zum Glück! Und zum Glück sucht nicht jeder Jugendliche nach dieser Art von Aufmerksamkeit. Manchmal sind einfache Missverständnisse der Auslöser.
Wie letzten September in Eupen, als ein Neunjähriger nach Schulschluss von einem Freund der Familie abgeholt werden sollte. Dummerweise hatten die Eltern ihren Sohn nicht darüber informiert. In kürzester Zeit waren aber Schule, Polizei und Medien über den Vorfall informiert. Im Anschluss hieß es von Seiten der Eupener Polizei: "Wenn es um Kinder geht, ziehen wir alle Register." Wer würde das der Polizei übel nehmen wollen? Und auch die Medien wollen sich nicht vorwerfen lassen, das Thema zu verschlafen.
Die Entführung eines Kindes, insbesondere des eigenen Kindes - alleine der Gedanke lässt Eltern halb verrückt werden. Und jede weitere Meldung, die eine mögliche Entführung in den Raum stellt, sorgt für Unbehagen.
Auch im BRF haben wir uns die Frage gestellt, ob sich die Vorfälle in letzter Zeit nicht häufen. Daniel Keutgen, der Leiter der Polizeizone Eifel, kann dies für seinen Einsatzbereich klar verneinen. "In den fünf Eifelgemeinden hat es in den letzten Jahren meines Wissens nach keinen konkreten Fall einer vollzogenen oder versuchten Kindesentführung gegeben. Also ich kann diesen Eindruck nicht bestätigen."
In der Polizeizone Weser-Göhl sieht die Sache schon anders aus, erklärte Zonenchef Harald Schlenter. Laut Statistik gab es 2012 noch keinen versuchten Entführungsfall. 2013 wurden aber schon zwei Fälle aktenkundig. 2014 einer, 2015 wieder zwei und in diesem Jahr auch schon zwei. Dabei sieht nicht jeder Fall gleich aus. Manchmal erklärten Kinder, weggezerrt worden zu sein, andere wurden angeblich freundlich aufgefordert, sich etwas anzuschauen.
"Prinzipiell glauben wir dem Opfer", sagt Schlenter. "Jeder Fall wird äußerst ernst genommen. Auch wenn die Spurensuche nicht zu konkreten Resultaten führt, hat es die Polizei lieber, dass man sich einmal zu viel als ein mal zu wenig meldet."
Tipps der Polizei
Auch Zonenleiter Daniel Keutgen schlägt in diese Kerbe. Hysterie sei nicht angebracht, wachsame und vorbereitete Kinder könnten aber nicht schaden. "Ich denke schon, dass bestimmte Verhaltensregeln mit den Kindern besprochen werden können - und auch müssten. Ein gesundes Missvertrauen ist auf jeden Fall angebracht. Man sollte das aber nicht gleichsetzen mit Angst machen oder gar in Panik versetzen."
"Zum Beispiel kann man mit dem Kind besprechen, dass es Absprachen einhält, pünktlich erscheint, ohne Umwege nach Hause geht. Dass es nicht alleine unterwegs sein sollte, dass es nichts von Fremden annehmen sollte, dass es keine persönlichen Daten weitergeben sollte."
Ein Kind sollte schon wissen, dass es Erwachsenen Nein sagen darf und in gewissen Situationen auch muss, sagt Keutgen. Ein Beispiel: Fremde die eine Auskunft wollen, sollen sich an Erwachsene wenden. Nicht an Kinder.
Und nicht nur die Polizei sollte die Kinder ernst nehmen, fordert Keutgen. Auch die Eltern. "Kindern kommen oft mit Geschichten. da ist es ganz wichtig, dass man zuhört, das nicht einfach so abtut. Man sollte den Kindern a priori Glauben schenken und die Polizei darüber informieren."
Wie bereits gesagt: Eltern, Schulen, Polizei und die Medien nehmen das Thema ernst. So auch die zwar schnellen, aber nicht immer "sozialen" Medien. Nur leider selten mit der nötigen Sorgfaltspflicht. Vielleicht gilt auch hier: lieber mit Fakten hintendran als mit Gerüchten weit voraus.
mz/km - Bild: Virginie Lefour/Belga