In der Familie Pogosyan wird armenisch gesprochen. Für die 18-jährige Sona ist es kein Problem, ins Deutsche zu wechseln. Sie hat gerade Abitur gemacht und letzte Woche ihr Diplom am Bischöflichen Institut Büllingen bekommen – mit einer Auszeichnung für besondere Leistungen, weil sie sich im Laufe des Schuljahres verbessert hat.
Sona ist froh, dass der Prüfungsstress vorbei ist und sie jetzt studieren kann, was sie möchte. Das war keine Selbstverständlichkeit für die Tochter armenischer Eltern.
Vor 18 Jahren wurde Sona im Iran geboren. Von dort floh die damals vierköpfige Familie. Da war Sona sieben. Es gab Probleme mit dem iranischem Staat wegen der Religion.
Die Flucht führte die Familie nach Belgien, zuerst nach Manderfeld, dann nach Büllingen. An die Zeit im Iran kann sich Sona nicht mehr erinnern, wohl aber an die ersten Schuljahre in Manderfeld. "Ich weiß noch, in der Schule da wurden ausländische Schüler in einer Klasse unterrichtet. Ich habe nur ein Jahr gebraucht, um Deutsch zu lernen … und dann bin ich mit den deutschsprachigen Schülern in eine Klasse gegangen", erzählt Sona.
Eine Wohnung hatte Familie Pogosyan in Manderfeld nicht. Die Eltern und ihre beiden Kinder mussten zwei Jahre im Empfangszentrum des Roten Kreuzes verbringen – mit über hundert anderen Asylbewerbern. Sona und ihr Bruder kannten es nicht anders. "Für uns war das eher normal", erinnert sich die Abiturientin.
Die Ankunft in Ostbelgien hat Sona nur in guter Erinnerung. "Ich fühlte mich gut aufgenommen von den anderen Schülern, habe immer Hilfe bekommen, und das fand ich echt gut."
Heute sind Sona und ihre Familie gut integriert. Ihr Vater arbeitet bei einer Anhängerbaufirma, ihre Mutter, eine ausgebildete Biochemikerin, wartet noch auf die Anerkennung ihres Diploms. Zu Hause kümmert sie sich um die mittlerweile drei Kinder: Sona hat einen 16-jährigen Bruder und eine kleine Schwester von acht Jahren.
Die armenische Sprache und Kultur wird gepflegt. Die Eltern halten den Kontakt zur Heimat, auch wenn sie nicht dorthin reisen dürfen. Sona findet, dass sich ihr Alltag nicht sehr von dem anderer Familien in der Eifel unterscheidet. Nur beim Essen gibt es schon mal typisch armenische Gerichte.
Familie Pogosyan gehört der armenisch-apostolischen Kirche an. Die christlichen Feiertage sind für sie Gelegenheit, Freunde und Verwandte zu treffen. Für Sona ist es kein Problem, als Armenierin in Ostbelgien zu leben. Sie kann beide Kulturen gut miteinander verbinden. "Ich bin glücklich, hier zu leben, aber ich würde trotzdem gerne in Armenien reisen, um das Land zu sehen und zu besichtigen."
Vielleicht ist das schon bald möglich. Nach fünf Jahren Aufenthaltstitel kann die Familie die belgische Nationalität beantragen. Dann hätte sie die ersehnte Reisefreiheit. Doch erst einmal konzentriert sich Sona auf den neuen Lebensabschnitt nach dem Abitur. Wirtschaftsrecht möchte sie gerne studieren. Alles andere will sie auf sich zukommen lassen.
MB - Fotos: Willy Jost (BIB) / BRF