Die Ermittlungen im Missbrauchsskandal in der belgischen Katholischen Kirche schlagen weiter hohe Wellen. In den letzten Tagen waren immer wieder Einzelheiten aus der Gerichtsakte an die Presse geraten. Die Kirche selbst hatte diese offensichtliche Schändung des Berufsgeheimnisses bereits mit scharfen Worten kritisiert und juristische Schritte angedroht.
Jetzt hat auch die Brüsseler Staatsanwaltschaft eine deutliche Warnung an diejenigen ausgesprochen, die es mit der beruflichen Schweigepflicht nicht so genau nehmen. Nicht zuletzt dieser äußerst ungewöhnliche Schritt zeigt einmal mehr die Brisanz der Akte.
Jetzt ist Schluss! So die unmissverständliche Botschaft der Brüsseler Staatsanwaltschaft. Zu viel war in den letzten Tagen aus den Ermittlungen im Missbrauchsskandal in der belgischen Katholischen Kirche durchgesickert.
Erst der Bericht in der Zeitung "Het Laatste Nieuws": Teile der Dutroux-Akte seien bei den Hausdurchsuchungen in Räumlichkeiten der Kirche in Mechelen sichergestellt worden. Dutroux, Katholische Kirche: ein Königreich für Verschwörungstheoretiker! Die Zeitung "La Dernière Heure" hat dann auch gleich Marc Dutroux persönlich um eine Einschätzung gebeten. Der ließ aus dem Gefängnis von Nivelles wissen, dass ihn "das Ganze nicht wundere" …
Das Fass läuft über
Diese Episode mag ein Indiz dafür sein, wie ungesund die Atmosphäre um die Ermittlungen ist. Und sie war zugleich der Tropfen, der das Fass anscheinend zum Überlaufen gebracht hat. Die Staatsanwaltschaft habe jetzt Vorermittlungen aufgenommen, sagte Jean-Marc Meilleur, der Sprecher der Brüsseler Justiz. Ermittelt werde wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses. Jeder, der Einsicht in die Akte bekomme, habe sich daran zu halten, warnt Jean-Marc Meilleur. Wer vertrauliche Informationen preisgebe, der mache sich strafbar.
Ein solches Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist durchaus ungewöhnlich. Dass Informationen aus laufenden Ermittlungen an die Presse gelangen, hat hierzulande Tradition, mit dem unschönen Nebeneffekt, dass die Unschuldsvermutung mitunter zur Makulatur wird. Justizsprecher Meilleur räumte denn auch ein: "Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen angesichts des vergifteten Klimas in dieser ganzen Angelegenheit."
Genau das hatte die Katholische Kirche auch schon angeprangert. Man sei ja bereit, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Doch müssten sich dann alle an die Spielregeln halten. Wo kommen die Informationen her, die da tagtäglich in der Presse kolportiert werden, fragt sich Fernand Keuleneer, Anwalt von Kardinal Danneels und des Erzbistums Mechelen-Brüssel. Sollte sich herausstellen, dass sich der eine oder andere nicht an seine berufliche Schweigepflicht gehalten habe, dann müsse das Konsequenzen haben. Hier gehe es um eine Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses, was mitunter schlimme Folgen für Image und Ansehen seiner Klienten haben könne.
Neue Gerüchte
Und das Gerüchtekarussell dreht sich weiter: Die Zeitung "La Dernière Heure" etwa glaubt zu wissen, die Generalstaatsanwaltschaft Brüssel sei fest entschlossen, dem zuständigen Untersuchungsrichter Wim De Troy die Akte zu entziehen. De Troy zeichnet für die Razzia vom 24. Juni verantwortlich. Dass De Troy und sein Vorgehen von der Generalstaatsanwaltschaft zumindest kritisch beäugt werden, hat ein Sprecher inzwischen bestätigt.
Dann meldete eine Zeitung, auf dem Computer von Kardinal Danneels sei das Foto einer entblößten Minderjährigen entdeckt worden. Und auch in diesem Zusammenhang entschloss sich die Staatsanwaltschaft zu einem ungewöhnlichen Schritt. Sprecher Jean-Marc Meilleur relativierte die Information: Besagtes Foto befinde sich in den temporären Dateien des Rechners, einem Bereich also, in dem Daten abgelegt werden ohne das Zutun des Nutzers. Solche Fotos können beim Surfen im Internet auf jeder Festplatte landen.
Auch für die DVD mit der Dutroux-Akte gibt es eine plausible Erklärung: Die habe ein allseits bekannter Spinner der Kirche zukommen lassen oder ein britisches Satiremagazin. Weder in diesem Zusammenhang noch wegen des Nacktfotos auf der Festplatte des Kardinals werde ermittelt, unterstrich der Justizsprecher Jean-Marc Meilleur. Der Sprecher von Kardinal Danneels hatte für die erneute offensichtliche Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses nur ein Wort übrig: grotesk.