Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen und würden am Freitag ab 11:30 Uhr fortgesetzt. Ob es möglicherweise im weiteren Tagesverlauf zu einem Ende des Streiks kommen wird, ist völlig offen.
In der Wallonie fuhr am Donnerstagnachmittag ein Zug auf zehn, in Flandern verkehren 50 Prozent der Züge. Dort hatten die Gewerkschaften nicht zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, lassen es ihren Mitgliedern aber frei, sich an dem Ausstand zu beteiligen.
In Folge des Bahnstreiks und einer zeitweisen Sperrung des Leopold-II-Tunnels herrscht in Brüssel ein Verkehrschaos. Sowohl auf dem kleinen Ring als auch auf dem Innen- und Außenring geht zeitweise nichts mehr. Bereits im morgendlichen Berufsverkehr war es zu längeren Staus als üblich gekommen.
Kein Verständnis für Streik
Die meisten Pendler und Reisenden haben kein Verständnis für den Streik, der sie eiskalt erwischt hat. "Ich habe die Nase voll! Einfach skandalös", sagt ein genervter Pendler, der am Donnerstagmorgen im Bahnhof von Namur vergeblich auf seinen Zug gewartet hat. Die Anzeigetafel ist leer. Weit und breit kein Zug in Sicht. "Der Streik ist wirklich toll für die Leute, die zur Arbeit müssen oder für diejenigen, die heute verreisen wollten", meint eine Pendlerin ironisch, bevor sie hinzufügt: "Das regt mich einfach auf."
Grund für die Protestaktion: Die Bahn will dem Personal aus Spargründen einen ihrer sogernannten Ausgleichstage streichen. Zusätzlich zum Urlaub erhält das SNCB-Personal 13 Ausgleichstage im Jahr, weil sie pro Woche 40 Stunden arbeiten statt der vertraglich festgehaltenen 36 Stunden. Der Streik werde solange dauern, bis die SNCB-Chefetage die geplante Maßnahme zurücknimmt. "Bis zum bitteren Ende", wenn es sein muss noch mehrere Tage", warnt ein FGBT-Eisenbahner aus Charleroi.
Die flämischen Bahngewerkschaften haben nicht zum Streik aufgerufen, hindern ihre Mitglieder aber nicht an der Teilnahme. Wie es jetzt weitergeht, bleibt abzuwarten.
Verkehrsminister François Bellot (MR) verurteilt jedenfalls die Streikaktion, die er als "wild" bezeichnet und durch die Nutzer der Bahn in die Röhre schauen. Er ruft Gewerkschaften und Bahnleitung auf, so schnell wie möglich eine Einigung in dem Sozialkonflikt zu finden.
Auf politischer Ebene kritisieren viele den Streik als völlig unverhältnismäßig. Ihr Argument: Die französischsprachigen Eisenbahner übertreiben. In Flandern streiken nur wenige Kollegen. Ein anderes Problem: Mal wieder werden die Reisenden die Zeche zahlen müssen. Pendler, die nicht zur Arbeit kommen. Studenten, die Prüfungen verpassen. Der Ärger ist groß. Dem streikenden Personal wird mangelnder Respekt den Bahnkunden gegenüber vorgeworfen. Mal wieder treffe der Protest die Falschen, nämlich die gewöhnlichen Bahnkunden, beklagte ein Pendler. Die Minister bekämen nichts davon mit. Die kommen nicht mit dem Zug, sondern würden mit Limousine und Chauffeur vorgefahren.
belga/alk/mh - Foto: Thierry Roge/BELGA