Soldaten als Busfahrer, Soldaten als Lokführer, Soldaten als Müllmänner. Bislang sind das freilich nur die nicht ganz ernst gemeinten Visionen von Karikaturisten, aber so ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht. Seit Soldaten nun auch in den bestreikten Gefängnissen eingesetzt werden, geht die Armee wirklich fast schon als "Mädchen für alles" durch.
"Unsinn!", sagte aber Verteidigungsminister Steven Vandeput in der VRT. Man habe doch gar keine andere Wahl gehabt, als den Polizisten in den Haftanstalten Soldaten zur Seite zu stellen. Die Lage sei schlichtweg unhaltbar geworden...
Armee als "Mädchen für alles"
Tatsächlich geht der Streik der Gefängniswärter ja schon in die dritte Woche und in vielen Haftanstalten sind die Verhältnisse inzwischen katastrophal. Die Mission der Soldaten sei denn auch rein "humanitär", wird immer wieder betont. "Mag ja sein, nur ist das wirklich unsere Aufgabe?", raunt es aber innerhalb der Streitkräfte. Fakt ist, dass für die Armee die Heimatfront inzwischen zu einem der wichtigsten Einsatzorte geworden ist, zumindest in puncto Personal- und Materialaufwand.
Noch vor zwei Jahren wäre das fast undenkbar gewesen. Erst die Regierung Michel machte die Streitkräfte de facto zu ihrem "Schweizer Taschenmesser". Dies zunächst, als man beschloss, Soldaten auch im Straßenbild einzusetzen, etwa für die Bewachung von sensiblen Gebäuden. Bis dahin war das nur in absoluten Ausnahmefällen passiert, etwa in den Jahren des Terrors der Killer von Brabant bzw. der CCC. Seit Anfang letzten Jahres wurde aus der Ausnahme also fast schon die Regel. Und jetzt eben ein neues Aufgabenfeld: humanitäre Hilfe in bestreikten Gefängnissen...
Das sorgt für hörbares Naserümpfen innerhalb der Truppe. Nur, so sagte Patrick Dessy von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP: Wir haben keine Wahl. Soldaten ist es laut Gesetz verboten, zu streiken. Unsere Jungs müssen tun, was ihnen befohlen wird...
Mittel für Sondermissionen werden nicht bereit gestellt
Wenn denn noch die Bedingungen stimmen würden, beklagt Yves Huwart von der Armeegewerkschaft CGPM. Auf der einen Seite zögere die Regierung nicht, die Streitkräfte für alle möglichen Sondermissionen zu mobilisieren, auf der anderen Seite würden dafür aber nicht die erforderlichen Mittel bereitgestellt. Allein der Einsatz im Anti-Terror-Kampf hat im vergangenen Jahr über 18 Millionen Euro gekostet, die allerdings zum größten Teil dann doch von der Regierung übernommen wurden.
Das eigentliche Problem liegt denn auch anderswo: Die Missionen an der Heimatfront binden schlichtweg zu viele Ressourcen. Denn: Nur, weil man die Soldaten vorher nicht gesehen hat, bedeute das ja nicht, dass sie in ihren Kasernen Däumchen gedreht hätten, sagte Wally Struys, Wirtschaftsexperte an der Königlichen Militärakademie, in der RTBF. Wenn sie nicht im Einsatz sind, dann trainieren diese Leute.
Die derzeitige Lage sei denn auch gleich in doppeltem Sinne kontraproduktiv, sagt Wally Struys: Erstens haben die Soldaten im Augenblick eben keine Zeit zu trainieren. Und zweitens schießt man hier fast buchstäblich mit Kanonen auf Spatzen, wenn man hochtrainierte und - qualifizierte Leute einsetze, um letztlich den Blumentopf zu spielen.
11 von 44 Auslandseinsätzen stehen auf der Kippe
Fakt ist jedenfalls, dass sich die bekannten Probleme der Streitkräfte jetzt nur noch zuspitzen. War es für die Armee bislang schon schwierig, ihre internationalen Engagements zu erfüllen, so wird das inzwischen zunehmend unmöglich. Belgien setze damit seine internationale Glaubwürdigkeit zunehmend aufs Spiel, warnt der Experte.
Und genau dieser Prozess scheint längst in vollem Gange zu sein. Nach Informationen der Zeitungen Het Laatste Nieuws und De Morgen steht inzwischen ein Viertel aller geplanten Auslandseinsätzen auf der Kippe, 11 von 44 um genau zu sein; vier Missionen seien schon vollends gestrichen worden.
So könne es doch nicht weitergehen, sagte denn auch Edwin Lauwereins von der liberalen Gewerkschaft SLFP: Es werde höchste Zeit, dass Verteidigungsminister Vandeput die Regierung überzeuge, die Mittel für die Streitkräfte aufzustocken.
Roger Pint - Bild: Filip De Smet (belga)
Wie man sieht, wird die belgische Armee gebraucht. Also sollte man ihr auch die nötigen Mittel zugestehn. Ist auf jedenfalls nützlicher als Geld in aufbeblähte Verwaltungen und Kleinstaaterei zu stecken.
(AdR: Beim Kommentarschreiber handelt es sich nicht um Marcel Scholzen aus Losheimergraben.)
Gebraucht wird die Armee in der Tat, aber nicht, um sich den ganzen Tag vor Gebäuden die Füße platt zu stehen... Unsere hoch ausgebildeten und trainierten Soldaten tun mir Leid, denn sie müssen für die Unfähigkeit der Regierung im wahrsten Sinne des Wortes gerade stehen.
Die "Armee in den Straßen" Idee dient nach meiner Sicht auch nur dazu, der Bevölkerung ein (falsches!) Gefühl der Sicherheit zu geben, also die Wählerschaft nicht zu vergraulen.
Ich denke, wahre Sicherheit kommt nicht am Ende der Kette, da wo Attentate tatsächlich stattfinden und es schwer ist sie zu verhindern wenn es soweit ist, sondern am Anfang und in der Mitte, also in der Phase, in der man die Pläne der Attentäter aufdecken und vereiteln kann, unter anderem dank der Nachrichtendienste, der Staatssicherheit, der Polizei, usw.