"Das ist einfach" wettert der PTB-Abgeordnete Raoul Hedebouw. "Die Leute zur Rente mit 67 verpflichten und selbst mit 55 in den Ruhestand gehen können." Der Aufreger ist nicht neu. Bereits vor einem Jahr hatte das Thema hohe Wellen geschlagen. Die Politiker-Rente war daraufhin reformiert worden. Seitdem dürfen Abgeordnete der föderalen Kammer frühestens mit 62 Jahren in Rente gehen. Allerdings gilt das nur für neue Abgeordnete, die 2014 erstmals ins Parlament gewählt wurden.
Aus einer Studie der Linken geht hervor, dass für alle anderen – also für zwei Drittel der Kammer – weiterhin die alte Regelung gilt. Also: Rente bereits ab 55 möglich. Kammerpräsident Siegfried Bracke hatte vor einem Jahr zwar versprochen, die Regelung zu verschärfen. "Doch seitdem hat sich an der vorteilhaften Rentenregelung der Abgeordneten nichts verändert", kritisiert Peter Mertens von der PTB. Im Raum steht der Eindruck der Selbstbedienung.
Steilvorlage für Raoul Hedebouw, der im Parlament noch einmal nachlegen kann. "Zwei Drittel des Parlaments dürfen weiterhin mit 55 Jahren in Rente gehen. Ein Skandal", tobt der linke Politiker.
Versprechen der Mehrheit
Rentenminister Daniel Bacquelaine versucht es zunächst mit Humor. "Ich bin 63 Jahre alt und noch längst nicht in Rente", sagt der MR-Minister. Dann weist er die Verantwortung von sich: Für die Rente der Parlamentarier sei nicht die Regierung zuständig, sondern die Abgeordneten selbst. Nur sie könnten ihre Sonderregelung abschaffen.
Trotzdem: Die Mehrheit weiß um die desaströse Wirkung der Geschichte – Rente mit 67 fordern, während die Parlamentarier bereits mit 55 in den Ruhestand treten können. Deshalb versprechen die Mitte-Rechts-Parteien, die Regelung zu ändern. "Ich kann die Vorwürfe nachvollziehen. Wasser predigen und selber Wein trinken, das darf nicht sein", sagt Arbeitsminister Kris Peeters (CD&V). "Was für Arbeitnehmer gilt, muss auch für Abgeordnete gelten", findet Peeters.
Die flämischen Sozialisten haben als Reaktion auf den Aufreger holterdiepolter einen Abänderungsvorschlag im Parlament eingebracht. Doch den hat die Mehrheit abgewiesen, allen voran die N-VA. Der Vorschlag sei populistisch und nicht gut durchdacht gewesen. Die größte Partei des Landes verspricht aber, die Ungerechtigkeit in Kürze aus der Welt schaffen zu wollen.
Alain Kniebs - Bild: Nicolas Maeterlinck/Belga