"Der Imageschaden ist gigantisch", sagte ein hörbar wütender Marc Descheemaecker. Er ist Präsident des Aufsichtsrates des Brussels Airport - und er weiß auch, was für den Landesflughafen auf dem Spiel steht. Vor drei Wochen explodierten die Bomben in der Eingangshalle. Zehn Tage lang war der Flughafen komplett geschlossen. Danach hat man mit Hilfe einer provisorischen Infrastruktur den Flugbetrieb zaghaft wieder aufnehmen können. Das alles war ohnehin schon weit davon entfernt, ideal zu sein. Zuweilen drehte der Airport auch mehr schlecht als recht.
Und dann das! "Sie müssen sich das mal vorstellen", sagte Descheemaecker in der VRT: "Da bekommt das ganze Land Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland nach den Anschlägen vom 22. März. Und drei Wochen später fällt uns ein Teil der heimischen Luftfahrtgemeinschaft in den Rücken. Können Sie mir mal sagen, wie man das den Airlines und Fluggästen jetzt erklären soll?"
Der Dolchstoß kam im vorliegenden Fall von den Fluglotsen, genauer gesagt von einer kleinen Gruppe von Belgocontrol-Mitarbeitern, der sogenannten "Gilde der belgischen Fluglotsen", einem unabhängigen Berufsverband. "Wir können nur feststellen, dass die Gilde der Fluglotsen ihre Mitglieder dazu aufgerufen hat, sich "krank" zu melden", sagt Dominique Dehaene, Sprecher von Belgocontrol. "Und aufgrund dessen sind wir dazu gezwungen, je nach verfügbarem Personal eben weniger Flüge abzuwickeln - dies aus Gründen der Sicherheit."
Im Zusammenhang mit dem wilden Streik der Fluglotsen am Brüsseler Flughafen hat sich jetzt auch Premier Charles Michel zu Wort gemeldet. Er nannte die Aktion unverantwortlich und unzumutbar. Es sei dringend nötig, so schnell wie möglich den Normalzustand wiederherzustellen. Michel sprach von einem enormen Schaden für das Image und die Wirtschaft des Landes. Ärzte warnte er davor, arbeitsunwillige Fluglotsen zu unterstützen. Er drohte mit Sanktionen für das Ausstellen von falschen Krankschreibungen.
Zankapfel ist Abkommen über Pensionsregelung
Zankapfel ist ein Abkommen über eine neue Pensionsregelung. Die Direktion hatte den Text vorgelegt und der wurde auch von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP abgesegnet. Von den beiden anderen Verbänden allerdings nicht. Und auch nicht von der Gilde der belgischen Fluglotsen. Besagtes Abkommen sieht unter anderem vor, dass Fluglotsen ab 2030 bis zum Alter von 58 Jahren arbeiten müssen, drei Jahre länger als heute. "Wir haben dieses Pensionsabkommen buchstäblich aufs Auge gedrückt bekommen", sagte ein Sprecher der Gilde der VRT. "Wir haben unsere Mitglieder dann darüber in Kenntnis gesetzt; und die waren dann so geschockt angesichts des Inhalts und der Vorgehensweise, dass sie unfähig waren, zu arbeiten."
Genau da liegt denn auch die Nuance: "unfähig zu arbeiten". Das Berufsstatut der Fluglotsen kennt tatsächlich einen solchen Begriff. Grund dafür ist die große Verantwortung, die die Fluglotsen zu tragen haben. Wenn sie den Eindruck haben, nicht hundertprozentig konzentriert arbeiten zu können, dann müssen sie das ihren Arbeitgebern melden. Dafür muss man also nicht "krank" sein, im medizinischen Sinne. Die Klausel existiert zum Beispiel für den Fall, dass ein Mitarbeiter aufgrund von persönlichen Problemen sozusagen "durch den Wind ist".
Und genau darauf beriefen sich denn auch all diejenigen, die nicht zur Arbeit erschienen sind: Sie sind wegen ihrer Empörung über die neue Pensionsregelung "not able to work", nicht dazu imstande, ihren Job auszuüben. "Totaler Käse!", reagierten aber viele Betroffene. Das sei nicht mehr und nicht weniger als ein "wilder Streik".
Jean-Jacques Cloquet, der Direktor des Regionalflughafens Charleroi fand besonders klare Worte: "Das ist, als würde ich sagen: 'So, leck' mich am Arsch, ich gehe nach Hause, und tschüss!'. Finden Sie das normal? Ich nicht!" Denn Charleroi ist wie alle anderen Regionalflughäfen schließlich auch von Belgocontrol abhängig. Und für alle ist es das gleiche Drama: die letzten drei Wochen waren eben von Chaos geprägt. Nach dem Ausfall von Zaventem haben die Regionalflughäfen versucht, das Unmögliche möglich zu machen, um die Folgen noch halbwegs in Grenzen zu halten. Und dann so etwas!
Auch aus der Regierung gab es harsche Kritik. "Gerade nach eben diesen drei Wochen war dieser Streik so nötig wie Zahnschmerzen", so formulierte es etwa Finanzminister Johan Van Overtveldt. Insbesondere die verschiedenen Airport-Verantwortlichen wollen die Sache in jedem Fall nicht auf sich beruhen lassen. "Schluss jetzt!", sagte etwa Jean-Jacques Cloquet vom Flughafen Charleroi. Es gehe nicht an, dass eine ganze Branche von der Tageslaune einer kleinen Gruppe abhängig ist. "Wir müssen und werden jetzt nach Alternativen suchen."
Streik der Fluglotsen sorgt weiter für Behinderungen
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/BELGA
"Unverantwortlich und unzumutbar" ist vor allem, Herr Charles Michel, dass Leute wie sie das Recht zu streiken über den Haufen werfen, weil es der gegenwärtigen Befindsamkeit anstößig ist und wunderbar zur neoliberalen Gesinnung ihrer 1%-Regierung passt.
Diejenigen, die sich über Streiks beklagen, müssen die Situation, in der sich die Streikenden befinden, nicht selbst erleben, haben also leicht Reden!
Und natürlich sind die Anschläge und deren Auswirkungen schrecklich, aber müssen wir deshalb unsere gesellschaftlichen Fortschritte aus einem Gemütszustand heraus in die Tonne werfen?
Bleibt die Frage, wer dem Image des Landes mehr schadet. Streikende Fluglotsen oder verlogene Politiker?
Frage an die beiden vorherigen Kommentatoren Hezel und Velz. Sind die Direktoren der Flughäfen und der hier zu Wort gekommene Direktor auch Politiker?
Herr Fink - ja, Descheemaecker (Brussels Airport) war 2014 EU-Spitzenkandidat für die Liste der NV-A und Decuyper (Belgocontrol) war von 2008 bis 2011 Kabinettchef mehrer CD&V-Minister... Soviel zur "Politik"...