Die Justiz hat Anklage gegen Jöelle Milquet erhoben. Milquet trat daraufhin von ihrem Posten als Unterrichtsministerin der Französischen Gemeinschaft zurück. Das gab sie selbst in einer Pressekonferenz am Montagvormittag bekannt.
Gegen die CDH-Politikerin wird schon länger wegen Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Parlamentswahlen 2014 ermittelt. Erste Vorwürfe gab es schon Anfang 2014. Die Zeitschrift "Le Vif/L'Express" hatte die Sache ans Licht gebracht. Damals war Milquet föderale Innenministerin. Mitten im Wahlkampf soll sie acht neue Mitarbeiter für ihr damaliges Kabinett eingestellt haben.
Die Sache hat sie dann weiter verfolgt. Das Ganze gipfelte ein erstes Mal Mitte letzten Jahres, als es sogar eine Hausdurchsuchung in den Amtsräumen von Milquet gab. Vor zwei Wochen wurde Milquet dann von den Justizbehörden verhört. Jetzt glaubt die Justiz, über ausreichend Beweise zu verfügen, um ein Ermittlungsverfahren gegen die Ministerin einzuleiten. Seit dem Ende der vergangenen Woche wird sie offiziell der illegalen Vorteilnahme beschuldigt. Das ist dann wohl auch der Grund, warum sie ihren Rücktritt eingereicht hat.
Begonnen hatte alles im Herbst 2013, gut ein halbes Jahr vor der Wahl vom 25. Mai 2014. Damals war unter anderem der Zeitschrift Le Vif aufgefallen, dass alle acht neuen Mitarbeiter irgendwie das gleiche Profil hatten: Alle hatten Migrationshintergrund, alle kamen aus Brüssel, alle kamen aus Gemeinden mit hohem Ausländeranteil, wie Molenbeek, Saint-Josse oder Anderlecht und alle hatten sie schonmal auf irgendeiner CDH-Liste gestanden.
Joëlle Milquet war fast 20 Jahre lang Chefin der CDH. Sie war es, die die Partei letztlich neugegründet hat, sie hat aus der christlich geprägten PSC die CDH gemacht. Sie hat in den letzten 20 Jahren bei so gut wie allen Regierungsverhandlungen mit am Tisch gesessen. 2007, beim ersten Akt der politischen Krise, hatte Milquet von der flämischen Presse den Beinamen "Madame Non" bekommen. Ihr hatte man damals vorgeworfen, dass sie im Grunde nur alles getan hat, damit am Ende wieder die Sozialisten mit am Tisch sitzen. Bei der Gelegenheit hatte sie auch eine ganze Reihe von Vorschlägen im Hinblick auf eine neue Staatsreform abgeschmettert. Seit gut zwei Jahren ist sie nicht mehr auf der nationalen Ebene aktiv und ist nicht mehr CDH-Präsidentin. Benoît Lutgen hat 2011 den Vorsitz der Partei übernommen.
CDH-Präsident Benoît Lutgen hat der am Montag zurückgetretenen Unterrichts- und Kulturministerin Joëlle Milquet seinen Dank und sein Vertrauen ausgesprochen. Es entspreche Milquets Prinzipien, dass sie ihr eigenes Interesse dem der Allgemeinheit und dem der Partei unterordne, sagte Lutgen zu ihrem Rücktritt. Ausdrücklich würdigte der CDH-Vorsitzende das in 18 Monaten Geleistete der Unterrichts- und Kulturministerin der Föderation Wallonie-Brüssel.
belga/rtbf/vrt/mh/rop/sh - Bild: Thierry Roge/BELGA