Dass sich Salah Abdeslam am 13. November im Stade de France in die Luft sprengen wollte, dann aber einen Rückzieher machte, erklärte der mutmaßliche Attentäter bei seinem ersten Verhör am Samstag. Inzwischen heißt es aber, der 26-Jährige habe eine neue Terrorzelle aufgebaut und plante einen Anschlag in Brüssel.
Die neuen Erkenntnisse stammen von Außenminister Didier Reynders. Er war am Sonntag Gastredner bei einer internationalen Konferenz in Brüssel und erklärte, Salah Abdeslam sei bereit gewesen, "etwas Neues" in Brüssel zu starten. Möglicherweise entspreche das auch der Realität. Denn es seien schwere Waffen in einem der Brüsseler Verstecke gefunden worden und Abdeslam habe ein neues Netzwerk um sich herum aufgebaut. All das lässt den Außenminister darauf schließen, dass Abdeslam während seiner Flucht bereits neue Terrorpläne geschmiedet hat.
Bereits am Samstag hatte der Pariser Staatsanwalt Informationen aus dem ersten Abdeslam-Verhör preisgegeben. Nach eigenen Angaben wollte sich der 26-Jährige am 13. November im Fußballstadion in die Luft sprengen, sah dann aber von seinen Plänen ab.
Sagt Abdeslam die Wahrheit?
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, ob Abdeslam den Ermittlern die Wahrheit sagt. Hat er tatsächlich einen Rückzieher gemacht oder hatte er einen anderen Auftrag? All das kann man derzeit noch nicht einschätzen. Und man darf nicht vergessen: Alles, was aus seinem Mund kommt, ist seine Version. Möglicherweise versucht Abdeslam jetzt, seine tatsächliche Rolle herunterzuspielen, um bei einem späteren Prozess besser wegzukommen.
Experten meinen aber, dass das in seinem Fall besonders schwierig werden dürfte - selbst, wenn er niemanden getötet hat. Es gibt genug Beweise, die gegen ihn sprechen. Abdeslam war in Ungarn, um Paris-Attentäter abzuholen. Er hat unter anderem Sprengstoff gekauft und die Hotelzimmer gebucht. Dass er nur ein kleiner Mitläufer war, wird ihm wohl niemand abnehmen. Allerdings sind die Ermittler nach eigenen Angaben überrascht, dass Abdeslam redet und offenbar bereit ist, mit der Justiz zu kooperieren.
Wie geht es jetzt weiter mit Salah Abdeslam?
Salah Abdeslam ist im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Brügge untergebracht. Möglicherweise findet am Montag ein neues Verhör statt. Am Mittwoch erscheint er vor der Ratskammer, die über die Verlängerung der U-Haft entscheidet. Das gilt aber als so gut wie sicher. Irgendwann in den nächsten Wochen wird er dann nach Frankreich ausgeliefert. Die Pariser Justiz hat bereits seine Auslieferung beantragt.
Parallel wird der Anwalt von Salah Abdeslam Klage gegen den Pariser Staatsanwalt François Molins einreichen. Der Vorwurf an die Justiz: Der Staatsanwalt habe am Samstag Einzelheiten aus dem Verhör seines Mandanten bekannt gegeben. Er habe damit gegen das Untersuchungsgeheimnis verstoßen. Nur so viel: Da geht’s ums Prinzip. Einen Einfluss auf die weiteren Ermittlungen dürfte die Anzeige nicht haben. Es macht nur einen Unterschied zwischen der Justiz in Frankreich und Belgien deutlich: Hierzulande sind die Behörden ja meist sehr verschwiegen und verraten nur, was sie verraten müssen.
Alain Kniebs - Bild: John Thys (belga)