Salah Abdeslam und Amine Choukri sind der Teilnahme an terroristischen Morden und an Aktivitäten einer terroristischen Organisation angeklagt worden. Das teilte die Föderale Staatsanwaltschaft am Samstagnachmittag mit. Die beiden Terrorverdächtigen waren am Freitag zusammen in einer Wohnung in Molenbeek festgenommen und dabei leicht verletzt worden.
Bei der Anti-Terror-Operation hatten Spezialkräfte drei weitere Personen festgenommen. Zu ihnen gehört Abid Aberkan. Ihm wird zur Last gelegt, Abdeslam und Choukri Obdach gewährt zu haben. Auch gegen ihn hat die Föderale Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen. Die beiden anderen Festgenommenen, darunter die Mutter Aberkans, befinden sich wieder auf freiem Fuß.
Abdeslam gegen Auslieferung an Frankreich
Abdeslam wehrt sich gegen eine Auslieferung nach Frankreich. Das hat der Anwalt des 26-Jährigen, Sven Mary, mitgeteilt. Abdeslam gebe zu, am 13. November in Paris gewesen zu sein, und sei bereit, mit der belgischen Justiz zu kooperieren.
Premierminister Michel hatte am Mittag auf einer Pressekonferenz erklärt, gegen das Auslieferungsgesuch Frankreichs gebe es keine politischen Einwände, wegen rechtlicher Regelungen könne es aber noch einige Wochen dauern, bis Abdeslam ausgeliefert werden könne.
Der 26-Jährige war am Freitag in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek festgenommen worden. Ihm wird eine maßgebliche Beteiligung an den Anschlägen im vergangenen November in Paris mit 130 Toten vorgeworfen.
Abdeslam ist bislang der einzige Verdächtige, der wegen der Anschläge von Paris vor Gericht gestellt werden könnte. Ermittler gehen davon aus, dass er zu einem der drei Terrorkommandos vom 13. November gehörte. Seine genaue Rolle im Zusammenhang mit den Anschlägen ist bislang nicht bekannt. Die anderen bisher bekannten direkt Beteiligten der Anschläge auf den Musikklub "Bataclan" sowie mehrere Bars und Restaurants und am Stade de France sind tot.
Gegen einen mutmaßlichen Komplizen Abdeslams, der am Freitag ebenfalls in der Wohnung in Molenbeek festgenommen wurde, war bereits zuvor Haftbefehl erlassen worden. Amine Choukri soll zumindest bei der Planung der Anschläge und bei der Flucht von Abdeslam eine wichtige Rolle gespielt haben. (belga/mh)
Reynders sagt Auslieferung zu
Nach der Festnahme von Salah Abdeslam und vier weiteren Verdächtigen will die föderale Staatsanwaltschaft am Samstag in einer Videokonferenz mit der Pariser Staatsanwaltschaft das weitere Vorgehen absprechen. Abdeslam wird innerhalb der nächsten Wochen an Frankreich ausgeliefert. Das hat Außenminister Didier Reynders zugesagt. Frankreichs Präsident François Hollande hat bereits am Freitag die Auslieferung von Abdeslam gefordert. Der 26-Jährige ist französischer Staatsbürger. Den Wunsch nach Auslieferung unterstützen die Hinterbliebenen der Opfer der Novemberattentate in Paris. Sie wünschen sich, dass wenigstens einer der Täter dafür sich vor Gericht verantworten muss. Die Hinterbliebenen werden am Montag von Präsident Hollande empfangen.
Im Rahmen der Untersuchungen fahndet die Polizei noch nach zwei Verdächtigen: Bei dem einen handelt es sich um Mohamed Abrini, der wenige Tage vor den Anschlägen mit Abdeslam gemeinsam in einem Auto auf dem Weg nach Paris gefilmt wurde. Der zweite Flüchtige ist einer der beiden Männer, die Abdeslam im September in Ungarn abgeholt hatte. Der andere wurde bei dem Polizeieinsatz in Forest getötet. (belga/rtbf/vrt/sh)
Nationaler Sicherheitsrat berät: Terrorwarnstufe 3 bleibt
Der Morgen danach
"Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Terrorismus": So beschreibt Charles Michel die Festnahme von Salah Abdeslam. Polizei- und Justiz hätten sorgfältig, intensiv und professionell gehandelt.
Charles Michel hatte den EU-Flüchtlingsgipfel am Freitag verfrüht verlassen. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande. In Michels Amtsstube in der Rue de la Loi verfolgten beide die Ereignisse ganz genau. Hollande lobte die belgischen Behörden für die geleistete Arbeit.
Sichtlich stolz auf "seine" Polizei ist Innenminister Jan Jambon. Er hofft, dass die Festnahme Abdeslam zu neuen Erkenntnissen führt. Dass der 26-Jährige auspackt und dass die Ermittler mehr über die Vorbereitungen der Anschläge und die Hintermänner erfahren werden. Wie ein Film, den man bald hoffentlich zurückspulen könne.
Alle sind sich aber dessen bewusst, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist. Allen Terroristen hat man noch längst nicht das Handwerk gelegt.
Abdeslam verrät sich selbst mit Handy
Rückblick: Bei der genauen Spurensuche in Forest stoßen die Ermittler auf einen Fingerabdruck von Salah Abdeslam. Auf einem Wasserglas. Sie sind sich sicher: Der meistgesuchte Mann Europas muss vor kurzem hier gewesen sein. Ermittler durchleuchten dann alle Handynummern, die die Mobilfunkmasten der Umgebung in den letzten Tagen registriert haben. Eine Nummer taucht einmalig auf. Ein Handymast in Molenbeek erfasst später die gleiche rätselhafte Nummer. Die Ermittler sind sich sicher: Das muss das Handy von Salah Abdeslam sein. "Durch einen dummen Fehler hat der Terrorist sich selber verraten", titelt Het Laatste Nieuws. Am Freitag um 16:40 Uhr erfolgt dann der Zugriff. Weil Abdeslam nicht auf die Befehle der Beamten reagiert, gehen die auf Nummer sicher und schießen ihm ins Bein.
Mit leichten Verletzungen sei Abdeslam ins Krankenhaus gebracht worden, erklärte Eric Van der Sypt von der föderalen Staatsanwaltschaft. Ebenfalls festgenommen wurden die drei Hausbewohner aus Molenbeek, die Abdeslam Unterschlupf gewährt hatten. Sie gehören zur selben Familie. Auch das will die Polizei jetzt wissen: Wo hat sich Abdeslam die ganze Zeit über versteckt und wer sind die Helfershelfer, die diesem Mann geholfen haben?
Bei den Anschlägen in Paris sind 130 Menschen getötet worden. 18 Wochen war Abdeslam danach auf der Flucht.
Alain Kniebs - Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA
Hallo Herr Kniebs,
Können Sie uns erklären warum Salah Abdeslam, der in Brüssel geboren ist, jetzt auf einmal französischer Staatsbürger sein soll, nachdem man uns 4 Monaten erzählt, er wäre Belgier?
Hallo Herr Nelles,
Salah Abdeslam ist in Molenbeek aufgewachsen und hatte stets die französische Staatsangehörigkeit. Das ist auch immer so gesagt worden.
Mit freundlichen Grüßen
Sarah Rousseau im Auftrag von Alain Kniebs