Bedrohlich sehen sie aus, die Männer und Frauen in ihren Tarnanzügen, Gewehr im Anschlag, an den Gürteln Pistolen, Messer und andere Waffen - Soldaten eben, und zumindest in Brüssel sind sie mittlerweile zum Alltag im Straßenbild geworden.
Doch so bedrohlich sie auch aussehen: Schützen dürfen sie die Bürger in vielen Fällen nicht. Sollten Soldaten einen Vorfall beobachten, der Anlass zum Eingreifen bietet, dann müssen sie zuerst die Polizei rufen. Nur die Polizei – so die Regel – darf gegen Bürger auf der Straße vorgehen.
Heikler Vorfall in Molenbeek
Das wird dann problematisch, wenn etwas passiert und Polizei nicht vor Ort ist. So geschehen an der Gare de l'Ouest in der mittlerweile berühmt-berüchtigten Brüsseler Stadtgemeinde Molenbeek: Drei Soldaten beobachten, wie ein Streit zwischen rund 15 Jugendlichen entbrennt. Gewalt ist im Spiel, ein Jugendlicher will flüchten, die anderen laufen hinterher. Die Soldaten stellen sich in den Weg, ein Soldat geht zu Boden. Als sein Kamerad ihm aufhelfen will, versuchen mehrere Jugendliche, das Gewehr des Soldaten zu entwenden. Die Soldaten wehren sich, ein Schlagstock kommt zum Einsatz.
Erst danach trifft die Polizei ein. Die Polizei hat, so Julie Mampuy, die Pressesprecherin der Polizei Brüssel West, dann mit Pfefferspray und der Hilfe der Soldaten die Angreifer auseinander getrieben. Ein Jugendlicher, der besonders hartnäckig nach der Waffe des Soldaten gegriffen hatte, wurde festgenommen. Er ist jünger als 18 Jahre.
Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung des Vorfalls gestartet. Den Soldaten könnte eine Strafe drohen, weil sie zunächst alleine, ohne die Unterstützung von Polizisten gehandelt haben.
Nur in zwei vorgeschriebenen Fällen dürfen Soldaten eingreifen
Aber im vorliegenden Fall wird es wohl nicht zu einer Strafe kommen. Denn die Staatsanwaltschaft hat schon mitgeteilt, dass die Videoaufnahmen die Darstellung der Soldaten bestätigen. Ihr Handeln war legitim. Sie hätten einer bedrohten Person geholfen, und sich bei Bedrohung selbst gewehrt. Das sind die beiden Fälle, in denen Soldaten auch ohne polizeiliche Unterstützung aktiv werden dürfen. Das bestätigt auch Patrick Descy, Generalsekretär der Soldatengewerkschaft CGSP Défense.
Aber der Gewerkschafter sagt auch: "Diese Formulierung ist sehr schwammig." Die Politik hat es bislang versäumt, klare Vorgaben zu machen, wann genau eine Gefahr für die Soldaten selbst bestehe, und wie groß die Gefahr für eine dritte Person sein muss, damit die Soldaten legitim eingreifen dürfen.
Wenn zum Beispiel vor den Augen von Soldaten ein Auto aufgebrochen wird, dürfen die Soldaten nicht selbst eingreifen. Sie dürfen nur die Polizei verständigen. Das klingt ein wenig paradox – kann aber vielleicht damit erklärt werden, dass der Einsatz von Soldaten zur Unterstützung der Polizei in Belgien erst seit gut einem Jahr wieder aktuell ist.
Nach der Aushebung der Terrorzelle in Verviers war es erstmals seit 30 Jahren der Fall. Soldaten zeigten auf den Straßen Präsenz, um ein verstärktes Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Eine Präsenz, die übrigens von einigen Bürgervereinigungen als illegal kritisiert wird.
Kay Wagner - Foto: Thierry Roge (belga)