"An jenem Sonntag, 22. November haben wir ganz unmittelbar mit einem Attentat gerechnet", so Innenminister Jan Jambon. Der N-VA-Politiker schilderte die Ereignisse im flämischen Fernsehsender VTM. Die Reportage wird allerdings erst am Mittwoch ausgestrahlt.
Demnach habe es sehr konkrete Hinweise gegeben, dass es an besagtem Sonntag "vor Mitternacht" zu einem Anschlag kommen würde. Und deswegen habe es denn auch die 19 Hausdurchsuchungen gegeben, wird Jambon zitiert. Die Razzia sei nämlich eigentlich erst für später geplant gewesen. Im Nachhinein habe sich dann gezeigt, dass man haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist. Wörtlich sagt Jambon: "Wir sind durch ein Nadelöhr geschlüpft."
Vor einigen Tagen hatte schon die Zeitung La Dernière Heure berichtet, dass die Sicherheitsbehörden wohl eine SMS abgefangen haben sollen. Wortlaut: "Wir sind verbrannt, wir müssen morgen zuschlagen". Ob's wirklich so war, das sagt Jambon nicht. Es kann sich aber so ähnlich zugetragen haben...
"Durch ein Nadelöhr geschlüpft...". Diese Feststellung trifft vielleicht häufiger zu, als man denkt... Beispiel: Nach Informationen der RTBF soll ein Terrorverdächtiger am Flughafen Zaventem gearbeitet haben. Dabei handelt es sich um Abdellah Chouaa. Der Mann sitzt seit dem 23. November in U-Haft. Festgenommen wurde er im Rahmen der Fahndung nach Salah Abdeslam, einem der Hauptverdächtigen der Terroranschläge von Paris. Welche Rolle Abdellah Chouaa genau gespielt hat, ist noch unklar. Salah Abdeslam soll versucht haben, den Mann nach den Attentaten zu kontaktieren.
Fest steht jedenfalls laut RTBF, dass der Mann bis zu seiner Verhaftung bei der Gepäckabfertigung am Brussels Airport beschäftigt war. Entsprechend verfügte er über eine Zugangsberechtigung, unter anderem auch zum Flugfeld. Konkret: einen Sicherheitsbadge. Der war also auch noch zehn Tage nach den Anschlägen noch gültig. Und das, obgleich der Mann schon seit Juli 2015, also seit fünf Monaten, auf der Liste des Anti-Terrorstabs OCAM steht, auf der die potentiell radikalisierten Personen geführt werden...
Ob nun deswegen oder nicht, aber inzwischen scheinen die Sicherheitsbehörden ganz genau hinzuschauen. Immer noch laut RTBF soll einem weiteren Flughafen-Mitarbeiter erst kürzlich ebenfalls die Zugangsberechtigung zum Brussels Airport entzogen worden sein. Hierbei soll es sich um den Bruder eines Terrorverdächtigen handeln, der anscheinend nur ins Fadenkreuz geraten ist, weil er eben der Bruder der falschen Person ist. Jedenfalls steht er offenbar nicht auf der besagten OCAM-Liste.
Es ist nicht das erste Mal, dass Flughafenbeschäftigte ins Zwielicht geraten. Schon vor gut einem Jahr gab es Meldungen über Mitarbeiter des Brussels Airport, die sich radikalisiert hatten. Einer von ihnen sei sogar nach Syrien gegangen, bestätigten Ex-Kollegen anonym in einem RTBF-Interview. Irgendwann hätten sie gehört, dass der Mann in Syrien gefallen sei. Das alles sei doch ein ziemlicher Schock gewesen.
Und es ist anscheinend nicht so, als hätten die Sicherheitsbehörden das Problem seither nicht ernst genommen. In den letzten drei Jahren sei rund 20 Personen die Zugangsberechtigung entzogen und entsprechend ihr Badge annulliert worden, berichtet die RTBF. In Zaventem, aber auch an den Flughäfen von Lüttich und Charleroi.
Die Flughafenbeschäftigten würden peinlichst genau überprüft, sagt auch Jean-Jacques Cloquet, der Direktor des Flughafens Charleroi. Bevor ein neuer Mitarbeiter eine Zugangsberechtigung bekomme, werde er von verschiedenen Sicherheitsdiensten durchleuchtet, von der Polizei und auch von den Geheimdiensten.
Der ominöse Sicherheitsbadge wird für eine Dauer von fünf Jahren ausgestellt. Was aber nicht heiße, dass der Betreffende dann fünf Jahre lang Narrenfreiheit habe. Wird die Person auffällig, dann kann ihr jederzeit die Zugangsberechtigung entzogen werden. Ob, bzw. wie Abdellah Chouaa da durch die Maschen schlüpfen konnte, das ist noch unklar. Die zuständigen Stellen wollten die Geschichte bislang nicht kommentieren.
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour (belga)