Die Ziehung der Listennummern mit Blick auf die Sozialwahlen 2016 - das ist alle vier Jahre der Schlüsselmoment für das, was man das belgische Modell des "Sozialen Dialogs" nennt. Mit Listennummer eins geht die liberale CGSLB ins Rennen, gefolgt von der sozialistischen FGTB mit der Nummer zwei, die Nummer drei ging an die christliche CSC.
Sozialwahlen, das heißt, dass die Mitarbeiter ihre Vertreter in den wichtigen innerbetrieblichen Gremien bestimmen. "Für uns ist das von enormer Wichtigkeit", sagte FGTB-Generalsekretär Marc Goblet in der RTBF. In den Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern werden die Arbeitnehmervertreter in den Betriebsräten gewählt. In Firmen mit mindestens 50 Beschäftigten stehen die Kandidaten für die Ausschüsse für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz zur Wahl.
Die Sozialwahlen (9. bis 22. Mai 2016) betreffen knapp 1,7 Millionen Arbeitnehmer in fast 7.000 Betrieben. Das ist also doch ein wirkliches "Hochamt" in der innerbetrieblichen Demokratie. Im Betriebsrat und auch im Ausschuss für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz äußert sich das Mitspracherecht der Beschäftigten.
Im Betriebsrat werden die Mitarbeiter über die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen der Firma informiert. Im Falle von Umstrukturierungen oder Schließungen werden im Betriebsrat die sozialen Begleitpläne ausgehandelt. Die Zuständigkeiten der Ausschüsse für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz, die stehen ja schon im Titel. Hier geht es grob gesagt um die allgemeinen Arbeitsbedingungen.
Popularitätscheck
Beim letzten Mal vor vier Jahren sind bei diesen Sozialwahlen über 120.000 Kandidaten ins Rennen gegangen - allein das zeigt noch einmal die Größenordnung. Hier geht es aber natürlich um mehr als nur die Besetzung von Mandaten in den Unternehmen. Für die Gewerkschaften ist das - wie eben auch für die Parteien - ein Popularitätscheck. Es geht klar ums Gewinnen.
Entsprechend dürften die Beziehungen zwischen CSC, FGTB und CGSLB in den nächsten Monaten auch spürbar rauer werden. "Wir haben uns aber fest vorgenommen, auf dem Teppich zu bleiben", sagte die CSC-Generalsekretärin Marie-Hélène Ska. "Wir wünschen uns, dass die Atmosphäre am Ende immer noch besonnen bleibt."
Frauenrechte
Weil es bei den Sozialwahlen um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer geht, können sie auch etwas verändern. Und für Wirtschaftsminister Kris Peeters ist das jetzt der Zeitpunkt, um endlich die Rechte der Frauen in den Unternehmen nach vorne zu bringen. Beispiel: Frauen verdienen immer noch weniger als Männer.
"Deswegen ist es wichtiger denn je, dass die Gewerkschaften mehr noch als bisher Frauen eine wirkliche Chance geben. Eben, damit die für die Gleichstellung der Geschlechter eintreten können", so Peeters. Breite Zustimmung bei den Gewerkschaften. "Unterstützen wir voll und ganz", sagt etwa FGTB-Chef Rudi De Leeuw, "eben um die Lohnschere zu verkleinern."
"Wir brauchen mehr Frauen auf den Listen und auch in den innerbetrieblichen Gremien", sagt auch Olivier Valentin von der liberalen CGSLB. "Bislang gab es rund ein Drittel weibliche Kandidaten und Mandatsträger, da ist sicher Luft nach oben." Laut CSC-Chef Marc Leemans "rennt der Vizepremier bei uns offene Türen ein. Schon jetzt sind vier von zehn CSC-Mandatsträgern Frauen, das ist mehr als etwa im föderalen Parlament."
Da macht doch gleich schon wieder einer Wahlkampf ... aber so ist das eben bei einer Wahl. Offiziell beginnt die Kampagne aber erst am 11. Dezember, genau sechs Monate vor dem Stichtag.
rop/km - Bild: Thierry Roge/AFP