Noch gibt es keinen weißen Rauch. Aber die Umweltminister des Föderalstaates, von Flandern, der Wallonie und Brüssel sitzen wieder am Tisch. Kurz vor knapp wollen sie doch noch eine Einigung zu Stande bekommen. Damit die Sache in Paris nicht allzu peinlich für Belgien wird, hat Premierminister Charles Michel jetzt sogar die Ministerpräsidenten eingeschaltet. "Ich hoffe, dass die Einigung in den nächsten Stunden möglich sein wird", erklärt Michel im Interview mit RTL.
Klimaziele hat das Land, seit sechs Jahren hapert es aber an der innerbelgischen Verteilung der Lasten. Wer leistet welchen Anteil an den erneuerbaren Energien und wer zahlt wieviel in den internationalen Hilfsfonds ein? Im Grunde dreht sich alles um diese Fragen.
Flandern, Brüssel und die Wallonie schaffen es einfach nicht, auf einen Nenner zu kommen. Ein Vorabkommen platzte vor zwei Wochen am Widerstand der N-VA. "Zu unvorteilhaft für Flandern", hieß es dazu von den flämischen Nationalisten. Die Wallonie ist zwar grundsätzlich bereit, mehr Windräder zu bauen, will im Gegenzug aber finanziell entschädigt werden.
Die verbindlichen Klimaziele der EU gelten auch in Belgien
Und so kommt es, dass Belgien zwar genau weiß, wo es hin muss. Nicht aber, wie es dahin kommen soll. "Glücklicherweise ist Belgien Mitglied der Europäischen Union", sagt der bekannte Klimaforscher Jean-Pascal Van Ypersele von der Universität Neu-Löwen (UCL). Die verbindlichen Klimaziele der EU gelten auch hier, das heißt 40 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 und ein Drittel Energie aus erneuerbaren Quellen.
"Das innerbelgische Verteilungsproblem ist zum Glück noch nicht im Ausland bekannt, ansonsten würde die Glaubwürdigkeit des Landes weiter leiden", meint der Klimaforscher. Angesichts der globalen Herausforderungen sei es eine Schande, dass man sich innerhalb des kleinen Königreichs nicht einigen könne.
Menschenketten für das Klima
In vielen Städten des Landes wurde deshalb am Sonntag demonstriert, etwa in Brüssel und Ostende, wo besorgte Bürger lange Menschenketten bildeten. Ihre Botschaft: Die Welt muss handeln, um die Erderwärmung aufzuhalten. Belgien könne sich seiner Verantwortung nicht entziehen, sagt ein Umweltaktivist: "Wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt, werden Teile Flanderns eines Tages die Füße im Wasser haben – also selbst Opfer des Klimawandels werden."
Dass ausgerechnet die flämische Regionalregierung eine knallharte Verhandlungsposition eingenommen habe, kann auch eine besorgte Bürgerin nicht nachvollziehen: "Unsere Regierung unternimmt viel zu wenig", sagt die Frau, "Umweltministerin Joke Schauvliege? Dazu sage ich jetzt besser nichts." Für ein Klimaabkommen scheine sie jedenfalls nicht reif genug zu sein, so das vernichtende Urteil der besorgten Bürgerin aus Ostende.
"Fossil des Tages"
Mit dem zweifelhaften Preis für das "Klimafossil des Tages" ist in Paris Belgien "ausgezeichnet" worden. Belgien lebe in der Vergangenheit, heißt es dazu. Während sich der Rest der Welt auf den Gipfel vorbereitet habe, hätten die belgischen Regierungen keine Vereinbarung über die Lastenverteilung erreicht, so der Sprecher des "Climate Action Networks".
Alain Kniebs - Fotos: Christophe Ena (afp), Benoit Doppagne (belga)