Über 1.000 Ermittler: 800 französische, 300 belgische Polizisten. Sie alle arbeiten an der Aufklärung der Pariser Anschläge. Man versucht, die Netzwerke aufzurollen, die Hintermänner zu ermitteln und natürlich vor allem: Man will die Männer dingfest machen, die noch flüchtig sind.
Und es sind wohl neue Elemente aus diesen Ermittlungen, die mit dazu geführt haben, dass die Terrorwarnstufe in Brüssel auf Niveau 4 angehoben wurde... Sicher ist bislang nur, was Premier Michel offiziell verkündet hat: Es lägen Hinweise vor, wonach ein Kommando eine Aktion plane wie in der vergangenen Woche in Paris.
Wo könnten diese Hinweise herkommen? Erstes Ereignis: In Brüssel wurde ein Mann festgenommen. Bei ihm waren einige Waffen sichergestellt worden. Allerdings, wie Ermittler klarstellten: keine Sturmgewehre, wie sie von den Pariser Attentätern benutzt wurden. Anscheinend soll in seinem Wagen auch Blut gefunden worden sein. Der 39-jährige Mann soll in jedem Fall in Kontakt stehen mit Salah Abdeslam und sei "eine Schlüsselfigur", hieß es. Gegen ihn wurde jedenfalls Haftbefehl erlassen. Ihm wird Mittäterschaft vorgeworfen, also unter anderem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum 130-fachen Mord.
Salah Abdeslam lebt sehr wahrscheinlich noch
Aber, apropos Salah Abdeslam. Der ist ja sozusagen der Dreh- und Angelpunkt der "Belgien-Connection" in dem Dossier. Eins ist inzwischen schon sicher: Er ist nicht bei dem Polizeizugriff am Mittwoch in Saint-Denis ums Leben gekommen, melden die französischen Behörden. Man darf also davon ausgehen, dass er noch lebt.
Der 26-jährige Salah Abdeslam soll ja der Logistikchef der Terrorzelle sein; außerdem soll er in Paris an den Anschlägen persönlich beteiligt gewesen sein. "Er war dabei", sagte auch Innenminister Jan Jambon in der VRT. Er war bereit, sich in die Luft zu sprengen. Das ist also nicht irgendwer. Salah Abdeslam steht im Zentrum der Ermittlungen.
Fakt ist: Salah Abdeslam wurde noch in der Nacht nach den Anschlägen in Paris abgeholt, und zwar durch zwei Freunde aus Molenbeek. Einer von ihnen habe den Ermittlern gegenüber neue Aussagen gemacht, sagte seine Anwältin, Carine Couquelet. Entgegen erster Angaben sei Abdeslam demnach durchaus sehr nervös gewesen, mehr noch: aggressiv habe er gewirkt. Bewaffnet sei er nicht gewesen, aber vielleicht, vielleicht habe er Sprengstoff dabei gehabt, sagte Carine Couquelet in der RTBF.
Salah Abdeslam habe jedenfalls eine dicke Jacke getragen, ungewöhnlich dick... Und er habe seinen beiden Freunden gegenüber klar zu verstehen gegeben, dass er bereit gewesen sei, sich in die Luft zu sprengen. Herausgelassen hätten die Freunde den Mann schließlich in Laeken, am frühen Nachmittag, sagt die Anwältin.
Laeken, Sonntagnachmittag, also vor genau einer Woche. Hier verliert sich also die Spur von Salah Abdeslam. So ist denn wohl auch die Meldung zu erklären, das "zwei Terroristen in Brüssel unterwegs sind, von denen einer eine Bombe hat. Das berichtete die Zeitung Le Soir.
Neue Ermittlungsergebnisse aus Frankreich
Aus Frankreich wird unterdessen auch eine neue, fast schon spektakuläre Entwicklung gemeldet. Im Zentrum steht hier Hasna Aïtboulahcen. Das ist die Kusine von Abdemhamid Abaaoud, dem mutmaßlichen Koordinator der Anschläge.
Hasna Aïtboulahcen war in dem Appartement in Saint-Denis, das am Mittwoch von französischen Sicherheitskräften gestürmt worden war. Sie war - ebenso wie Abaaoud - bei dem Zugriff ums Leben gekommen. Zunächst hatte es geheißen, sie habe sich mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gesprengt.
Die Frau wohnte in einem anderen Vorort von Paris. Medienberichten zufolge wurde ihre Wohnung noch am Abend ihres Todes von Unbekannten "gesäubert". Ein Kommando sei vorgefahren und habe das Appartement buchstäblich geleert, sagten Augenzeugen in französischen Fernsehsendern. Ihre Autos hätten belgische Kennzeichen gehabt.
Wenn das stimmt: Was haben die Unbekannten mitgenommen? Und wer waren sie? Vielleicht ein viertes Terrorkommando? Bange, offene Fragen...
Das wiederum mag jedenfalls die Basis sein für eine Meldung der Zeitung La Libre Belgique: "Man sei auf der Suche nach bis zu 10 Leuten, die in Brüssel und auch in Flandern an mehreren Orten zuschlagen wollen", berichtet die Zeitung unter Berufung auf französische Medien.
"Salah Abdeslam ist nicht unser einziges Problem", sagte auch Innenminister Jan Jambon: Es ist nicht so, dass wir kein Problem mehr haben, wenn der Mann einmal gefasst ist. Das Netzwerk ist offensichtlich viel größer und komplexer.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)