"Nur, weil Sie Facebook heißen, ist längst noch nicht alles erlaubt", sagt der für Datenschutz zuständige föderale Staatssekretär Bart Tommelein. Der OpenVLD-Politiker kann seine Genugtuung kaum verbergen. Was hatten sich die Belgier anhören müssen. Nach dem Motto: "Was maßen sich die kleinen Belgier da denn jetzt an?"
In der Tat: Sich mit einem der größten Internet-Konzerne der Welt anzulegen, das mochte doch etwas verwegen anmuten. Aber, nicht vergessen: Auch das Bosman-Urteil, das den kompletten europäischen Profi-Fußball auf den Kopf stellte, wurde schließlich von einem belgischen Gericht gefällt.
Aber gut: Belgien hatte also Facebook verklagt. Genauer gesagt war es die so genannte "Datenschutzkommission". Deren Ansicht nach verstieß Facebook gegen das belgische Datenschutzrecht. Dass die Klage überhaupt vor einem Gericht landete, sei schon ein erster Erfolg gewesen, sagt Staatssekretär Tommelein. Facebook hatte nämlich immer geltend gemacht, dass belgische Gerichte gar nicht zuständig seien, da sich der europäische Hauptsitz in Irland befindet. Der Richter erklärte sich also für zuständig und das Verfahren konnte stattfinden.
Im Mittelpunkt stand hier im Grunde ein kleines Programm, das in der Welt des Word Wide Web "Cookie" genannt wird, was soviel heißt wie "Plätzchen". Das digitale "Gebäck" ist aber nicht immer so harmlos, wie es sein Name vermuten lässt. Diese Cookies werden beim Besuch vieler Internet-Seiten auf dem Computer des Nutzers gespeichert. Es enthält dann Informationen zum Beispiel über die gewählte Sprache, damit der Nutzer beim nächsten Besuch gleich in seiner Muttersprache empfangen werden kann.
Auch Facebook platziert solche Cookies. Die gehen allerdings recht weit: Erfasst wird etwa, welche Seite wann angeklickt wird. Das erlaubt es dem amerikanischen Konzern unter anderem, Daten zu sammeln, die für die Werbewirtschaft interessant sind.
Naja, und solange diese Cookies nur bei den Facebook-Nutzern installiert werden, kein Problem, sagt Staatssekretär Bart Tommelein. Wer bei Facebook ist, der habe ja schließlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert. Das Problem ist aber, dass Facebook nicht nur die Benutzer ausspäht, die über ein Mitgliederkonto verfügen.
Es ist so: Ob nun Facebook-Mitglied oder nicht, jeder landet früher oder später mal auf einer Seite des Sozialen Netzwerks. Etwa dann, wenn man nach einem Restaurant sucht oder nähere Infos über ein Kulturevent finden möchte. Dieser eine Besuch auf einer Facebook-Seite reicht dann aber: Besagter Cookie wird auch in diesem Fall installiert. Damit wird also auch das Surfverhalten dieses Nutzers ausgespäht - und der weiß davon gar nichts.
Und das geht nicht, sagt die Sprecherin des Brüsseler Gerichts Erster Instanz: Hier werden Menschen ohne ihr Wissen ausspioniert - von Facebook, und das, obgleich sie nicht Mitglied des Sozialen Netzwerks sind. Und das verstoße in den Augen des Gerichts gegen die belgische Datenschutzgesetzgebung.
Bei aller Freude über das Urteil kann sich Staatssekretär Tommelein da immer noch in Rage reden. Er begrüße die Entscheidung außerordentlich, sagt Tommelein. Es könne doch nicht sein, dass ein Privatunternehmen hier systematisch Informationen über Internet-Nutzer sammele, die dafür nicht die Erlaubnis erteilt haben, mehr noch: überhaupt nichts davon wissen.
Fakt ist jedenfalls: Facebook muss diese Praktiken umgehend einstellen. Bei Verstoß droht ein Zwangsgeld von 250.000 Euro pro Tag. Zwar hat Facebook Einspruch angekündigt, da es sich aber um ein Eilverfahren gehandelt hat, wird das Urteil dafür nicht bis auf weiteres ausgesetzt.
Nun mag man sich in Kalifornien immer noch sagen: Was juckt uns ein Urteil, das hinter den Bergen bei den sieben Zwergen gefallen ist? Wenn's nicht so wäre, dass Datenschützer aus ganz Europa den Prozess in Belgien genau verfolgt haben. Es könnte ein Präzedenzfall sein, glaubt auch Bart Tommelein. Wir als Belgier haben da quasi eine Vorreiterrolle übernommen und andere werden wohl dem Beispiel folgen...
Roger Pint - Illustrationsbild: Maxime Anciaux (belga)