Am Wochenende nahm N‑VA-Chef Bart De Wever Brüssels Bürgermeister Yvan Mayeur (PS) unter Beschuss. Er warf ihm Inkompetenz vor, weil Mayeur sich weigere, das Zeltlager im Brüsseler Maximilian-Park räumen zu lassen. Mayeur nutze das Flüchtlingslager als politisches Druckmittel. Nach Ansicht des N‑VA-Chefs habe sich der Maximilian-Park mittlerweile zum Sammelhort linker Aktivisten entwickelt. Der Bürgermeister toleriere sogar, dass nicht einmal die Hälfte der Menschen tatsächlich Flüchtlinge seien, sondern Papierlose, Obdachlose oder linksextreme Aktivisten. Seine Forderung: Das Lager müsse geräumt werden und er ließ durchblicken: In seiner Stadt würde er jedenfalls seine Verantwortung als Bürgermeister für die öffentliche Ordnung übernehmen.
Bürgermeister Yvan Mayeur reagierte ironisch: Bart De Wever habe natürlich Recht. Er sei absolut nicht kompetent in dieser Materie. Zuständig sei der N‑VA-Staatssekretär Theo Francken. Alle Welt warte nur darauf, dass Francken zeige, wie man Menschen empfange, die sich in einer dramatischen humanitären Lage befänden. Das wahre Problem liege bei der N‑VA, so Mayeur weiter. Die müsse schließlich ihre Wähler am rechtsextremen Rand zufriedenstellen.
Apropos Francken: Auch der äußerte sich zu den Zuständen im Maximilianpark. Dort gebe es Leute, die die Situation nur ausnutzen würden, um gegen ihn und die Regierung zu stänkern.
Nächster Auftritt: N-VA-Innenminister Jan Jambon kündigte im flämischen Fernsehen an, ab dieser Woche das belgische Grenzgebiet stärker zu kontrollieren. Im Visier hat der Innenminister zum einen die Schleuser, zum anderen Asylsuchende, die ins Land kommen und sich nicht registrieren lassen wollen. Da könnten ja auch Terroristen drunter sein. Die Kontrollen sollen gezielt sein, Grenzkontrollen, wie es sie früher gegeben hatte, wird es nicht geben, das verbiete das Schengen-Abkommen.
Jambon: Polizei wird verstärkt gegen Schleuser vorgehen – Auch Kontrollen an Grenzen
Auch N‑VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt hatte neue Pläne zu verkünden. Er verwies auf die Kosten der Flüchtlingskrise. Seinen Schätzungen zufolge sollen die sich im kommenden Jahr auf bis zu 500 Millionen Euro belaufen. Klar, den Menschen müsse geholfen werden, aber es gebe auch Grenzen bei dem, was unser Land tun könne. Obwohl die meisten Asylbewerber kein Einkommen haben, haben sie Anrecht auf steuerliche Abzüge, beispielsweise für Kinder, die sie zu Lasten haben. Mit anderen Worten: Der Fiskus muss Geld ausbezahlen, ohne dass vorher etwas in seine Kasse geflossen ist. Dem will Finanzminister Van Overtveldt ein Ende bereiten. Im Gegenzug sollen die eingesparten Mittel dazu genutzt werden, die Auffangstrukturen oder die Integration der Migranten zu verbessern.
Experten sehen in dem Vorschlag ein Problem: Wenn die Menschen Steuern zahlen müssen, dann dürfen sie auch von den Vorteilen profitieren. Andernfalls sei das Diskriminierung und demnach verfassungswidrig. Die alleinige Tatsache, dass man in Belgien wohne, reiche aus, um steuerpflichtig zu sein.
Einen weiteren Vorschlag will die N‑VA-Abgeordnete Sarah Smeyers am Montag im Föderalen Parlament vorstellen. Die Partei möchte das Anrecht auf Kindergeld einschränken. Nur wenn man während vier der letzten zehn Jahre in Belgien gelebt hat, soll man das komplette Kindergeld bekommen. 25 Prozent nach einem Jahr, die Hälfte nach zwei Jahren, 75 Prozent nach drei Jahren und erst nach vier Jahren in unserem Land gibt es dann das komplette Kindergeld. Es sei eine Kopie des dänischen Systems. Man habe niemanden im Visier, auch nicht Flüchtlinge, so Smeyers am Montagmorgen im flämischen Radio. Ziel sei, das System der Sozialen Sicherheit in Belgien auch weiterhin zu garantieren. Argumenten, nach denen die Teilstaaten seit der Sechsten Staatsreform für die Kinderzulagen zuständig seien, entgegnete Smeyers, dass es im Rahmen der Asyl- und Migrationspolitik juristisch möglich sei, das Kindergeld per föderalem Gesetz anzupassen.
Die Kritik ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Der Familienbund ließ wissen, das Recht auf Kindergeld stehe in der Verfassung geschrieben und sei ein universales Recht für jedes Kind. Von Seiten der flämischen Sozialisten hieß es, die N‑VA missbrauche die Flüchtlingskrise, um die Soziale Sicherheit auszuhöhlen. Und die Grünen tönten, es seien nicht die Flüchtlinge, die unsere Soziale Sicherheit bedrohten, sondern die Politik von OpenVLD und N-VA.
Die soziale Sicherheit in Belgien ist nicht durch die Flüchtlingskrise bedroht. Das sagte CD&V-Vizepremier Kris Peeters der VRT. Mit Blick auf das Kindergeld habe man ein Gesamtbudget von sechs Milliarden Euro. Die von der N-VA vorgeschlagenen Gesetzesänderungen würden lediglich 0,1 Prozent, sprich sechs Millionen, einsparen. Zudem sieht Peeters mit dem N-VA-Vorschlag die Kinderrechte in Gefahr. Das Geld sei für Kinder bestimmt - da spiele das Statut der Eltern keine Rolle. Man beobachte die Einwanderungswelle sehr genau - doch zurzeit gebe es keinen Grund zur Sorge. Zunächst ging es darum, die Menschen korrekt zu empfangen. Anschließend müssten sie schnell in die aktive Bevölkerung integriert werden, so Peeters. (belga/vrt/dop)
N-VA: Anrecht auf volles Kindergeld erst nach vier Jahren
Volker Krings - Bild: Jasper Jacobs (belga)