Die Liste der belgischen Politiker und vor allem Justizminister, die die Justiz reformieren wollten, ist lang. Ob Jean-Luc Dehaene, Laurette Onkelinx, Stefaan De Clerck oder Annemie Turtelboom: Sie alle versprachen, forderten oder wünschten sich eine grundlegende Reform des belgischen Justizapparats. Realisiert wurde bislang wenig. Berge unbehandelter Akten, veraltetes Material und vor allem immer wieder akuter Personalmangel. Ein Beispiel: Am Familiengericht in Gent fehlen etwa 14 Magistrate. Deshalb müssen an einem Vormittag 60 Dossiers verhandelt werden. Das macht pro Fall sage und schreibe vier Minuten.
Justizminister Koen Geens ist sich der Probleme bewusst. Die Rekrutierungs-Prozeduren an den Gerichten sind sehr langwierig. Das soll sich ändern. Geens bereitet einen Gesetzesentwurf vor, der den Gerichtsständen mehr Möglichkeiten gibt, bei Bedarf schneller Leute einstellen zu können.
In Gent heißt es bereits, man wäre an dem Punkt angelangt, dass man das Grundrecht nicht mehr garantieren können. Und der erste Vorsitzende des Antwerpener Appellationsgerichtshofs meinte kürzlich, er würde sich nicht wundern, wenn es über kurz oder lang zu Unglücken kommt. Was das konkret bedeutet, ließ der Richter offen. Möglicherweise befürchtet er, dass es über kurz oder lang auf Grund der Überlastung zu Prozedurfehlern kommen wird.
Wenig versprechen, alles geben, so das Motto des Justizministers Koen Geens. Er habe das wenige, das er versprochen habe, immerhin gehalten. Konkret: die Einsparungen im Justizwesen habe er von vier auf ein Prozent heruntergeschraubt. Den 147 Millionen Euro Zahlungsrückstand habe er beglichen. Und als er die nötigen Mittel hatte, auch noch das Personal vor dem Sommer aufgestockt.
Justizminister Koen Geens ist überzeugt, sich mit seinem gesamten Gewicht innerhalb der Regierung für sein Ressort eingesetzt zu haben. Er habe seinen Kollegen versucht deutlich zu machen, dass in der Magistratur nicht linear gespart werden dürfe. Es gebe Gerichte, da sei zu viel Personal vorhanden. In anderen gebe es zu wenig. Dem will Geens einen Riegel vorschieben. Und das gehe nur über Budgets, nicht über Gesetze. Konkret: Ihr Budget von etwas über einer Milliarde Euro sollen die Gerichtsstände in Zukunft selber verwalten. Was sie mit dem Geld machen, bleibt ihnen überlassen. Unter Vormundschaft des Ministers und mittels Geschäftsführungsverträgen.
So schlecht seien die finanziellen Mittel für die Gerichte in Belgien nicht. In den Niederlanden haben die Gerichte ein Budget von 1,5 Milliarden Euro. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sei das Budget in Belgien zwar nicht so groß, aber auch nicht zu klein. Die Zahl der Magistrate pro Kopf ist nicht kleiner als in unseren Nachbarländern.
Die bisherige Organisation der Gerichte soll der Vergangenheit angehören. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen nicht mehr der Wirklichkeit, sagt Koen Geens. In Zukunft gehe das Geld dorthin, wo es auch nötig sei. Das sei die Realität. Und das sei was er probiere, zu tun.
Volker Krings - Archivbild: Bruno Fahy (belga)