Rund 6.000 Milchbauern mit 2.000 Traktoren aus Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden nahmen am Montagvormittag an einer Großdemonstration im Europaviertel teil. Bereits am Sonntag hatten sich mehrere hundert Milchproduzenten auf den Weg nach Brüssel gemacht. Sie wollen den Druck auf die 28 EU-Landwirtschaftsminister erhöhen, die sich am Montag in Brüssel zu einem Sondergipfel treffen. Sie fordern ein klares Zeichen von Europa. Sollte dies nicht erfolgen, werden weitere Aktionen folgen, hieß es.
Thema des Sondergipfels ist die Krise im Agrarsektor. Vor allem die Milch- und Schweinebauern leiden unter den niedrigen Preisen, die sie für ihre Erzeugnisse bekommen. Die Chancen auf eine Lösung stehen aber eher gering. Vor allem Deutschland wehrt sich gegen jegliche Regulierung. Belgien, zusammen mit Frankreich befürwortet hingegen eine Quotenregelung im Krisenfall.
Bauernprotest legt Europaviertel lahm
In und um Brüssel sowie auf den Autobahnen und Nationalstraßen, die nach Brüssel führen, gab es erhebliche Verkehrsbehinderungen. Den Autofahrern wurde empfohlen, die Hauptstadt zu meiden. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel waren durch die Demos gestört worden. Entlang der Strecke, die die Landwirte benutzten, fuhren keine Busse.
Wie die Nachrichtenagentur Belga meldet, hatten sich mehr als hundert Polizisten am Brüsseler Schuman-Kreisverkehr aufgestellt, wo sie rund 150 Traktoren gegenüber standen. Für den Notfall standen Wasserwerfer bereit. Über die Höhe des Polizeiaufgebotes wurden keine Angaben gemacht. Die Beamten erhielten aber Unterstützung von rund 140 Kollegen aus den Niederlanden.
In Ansprachen forderten die zuständigen Landwirtschaftsminister Borsus und Schauvliege eine Einkommensgarantie für die Betroffenen, die sich an einem nach ihrer Ansicht "ehrlichen Preis" orientieren sollte. Sprecher der Bauern wiesen daraufhin, dass Milch derzeit billiger als Wasser sei. Dies sei unfair und könne nicht mehr länger hingenommen werden.
Angespannte Lage bei Kundgebung in Brüssel
Beobachter berichteten von einer recht angespannten Lage bei der Kundgebung in Brüssel. Die Polizei musste am Nachmittag im Europaviertel vor dem Gebäude der EU-Kommission Wasserwerfer einsetzen, weil Landwirte mit Traktoren versuchten, Straßensperren zu überwinden.
Belga berichtet, dass ein harter Kern der Demonstranten Polizisten mit Bierflaschen und Eiern beworfen und einen mitgeführten Wagen in Brand gesteckt hätten. Auch seien Heu und Autoreifen in Brand gesteckt worden, so dass eine Rauchwolke über dem Schuman-Platz lag. Es sei auch Tränengas eingesetzt worden. Drei Polizisten seien verletzt worden. Festnahmen sind aber noch nicht erfolgt.
Bauernvertreter verärgert über Hitzköpfe in eigenen Reihen
Offizielle Vertreter in- und ausländischer Bauerverbände bedauerten, dass der ruhige Protestzug der Landwirte am Schuman-Platz von gewalttätigen Ausbrüchen begleitet wurde. Durch den Gewaltausbruch vereinzelter Hitzköpfe hätte ihre Mitglieder nicht den Ansprachen folgen können, bedauerte ein verärgerter Verbandssprecher aus Frankreich. Ähnlich äußerte sich der Vertreter einer italienischen Delegation.
Die europäische Bauernvereinigung Copa-Cogeca war am Nachmittag von EU-Kommissar Katainen zu einem Gedankenaustausch empfangen worden. Der Vize-Kommissionspräsident sei ebenfalls verärgert gewesen. Man habe deutlich gemacht, dass die Gespräche mit Russland über den Importstopp nach Meinung des Sektors wieder aufgenommen werden sollten. Katainen hatte die Bauern an Stelle des erkrankten EU-Agrarkommissars Hogan empfangen.
Belgien lehnt Vorschlag der EU-Kommission ab
Brüssel hat am Montag Sofortmaßnahmen für notleidende Milchbauern vorgeschlagen. Mit einem Paket von 500 Millionen Euro und einem Bündel von Maßnahmen sollen die finanziellen Nöte der Bauern angegangen werden, um den Markt zu stabilisieren und das Funktionieren der Handelskette zu verbessern. Zudem solle es den Landwirten helfen, neue Exportmöglichkeiten zu finden. Einige dieser Maßnahmen könnten sofort umgesetzt werden.
Belgien hält jedoch nichts von dem bisherigen Vorschlag der EU-Kommission. Dies hat der föderale Landwirtschaftsminister Willy Borsus erklärt. Bei der Sitzung der Landwirtschaftsminister zeichnet sich auch keine Mehrheit für staatliche Eingriffe wie etwa eine Erhöhung des Interventionspreises ab, um den Milchpreis zu stützen. Minister Borsus bezeichnete den Kommissions-Vorschlag als unzureichend und allzu vage. Die Wirkung auf die wirtschaftliche Lage der Betriebe sei begrenzt. Eine strukturelle Antwort auf die Krise, könne er nicht erkennen, so der Minister.
belga/rtbf/dpa/vrt/cd/vk/rkr - Bilder: BRF, Belga