Weihnachten im Juli? Jedenfalls hätten die Arbeitgeber nur "Geschenke" bekommen, beklagen die Gewerkschaften im Chor.
In Sachen Tax-Shift blasen CSC und FGTB ins selbe Horn. "Hier wird doch wieder einmal nur der 'kleine Mann' geschröpft: Arbeiter, Leistungsempfänger und Familien", beklagt etwa FGTB-Generalsekretär Marc Goblet.
Quasi identische Kritik von CSC-Chef Marc Leemans: "Der Tax-Shift geht in die komplett falsche Richtung. Wer muss mal wieder die Zeche zahlen? Otto Normalverbraucher." Und das gilt quasi für alle Kapitel des Tax-Shifts, sagen die Gewerkschaften.
Erster Punkt: die Senkung der Lohnnebenkosten. Leemans ist nicht prinzipiell dagegen. Es sei mit Sicherheit eine gute Sache, wenn man versucht, die Lohnkosten in Belgien zu drücken. Da gebe es nur ein Problem: Diese Lastensenkung sei nicht an Bedingungen geknüpft - niemand muss sich im Gegenzug zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verpflichten. Auch Goblet beklagt, dass die Lastensenkung ohne Gegenleistung erfolgt.
Ganz andere Töne freilich bei den Arbeitgebern. "Der Tax-Shift ist der Beweis, dass die Regierung es mit der Wiederbelebung der Wirtschaft ernst meint", sagt etwa Pieter Timmermans vom Unternehmerverband FEB. "Die Senkung des Arbeitgeberanteils von 33 auf 25 Prozent wird der Unternehmenswelt frischen Sauerstoff zuführen. Mehr Sauerstoff für Innovation, mehr Sauerstoff für Investitionen, und damit eben auch: für die Schaffung neuer Arbeitsplätze", sagt Timmermans.
Das sei doch nur der Idealfall, warnt aber CSC-Generalsekretärin Marie-Hélène Ska. "Nichts und niemand hält die Arbeitgeber davon ab, besagten "Sauerstoff" in Form von Dividenden ihren Aktionären zu verabreichen. Hier wird ohne Gegenleistung Geld zum Fenster herausgeschaufelt", so Ska.
Harte Worte, die auf Arbeitgeberseite auf Unverständnis stoßen. "'Seien wir mal ehrlich: Erst muss man doch die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Daraus folgt dann die Kaufkraft", sagt Pieter Timmermans. "Ansonsten läuft man Gefahr, die Kaufkraft von Menschen zu erhöhen, die dann ihren Job verlieren."
Verlagerung "innerhalb des Portemonnaies der Durchschnittsbürger"
Doch laufen die Gewerkschaften auch Sturm, was die Finanzierung dieses Tax-Shifts angeht. Auf der einen Seite würden die Mehrwertsteuer und auch die Akzisen erhöht, das treffe die Durchschnittsbürger besonders hart. Das Kapital werde aber weiterhin so gut wie nicht besteuert, sagt Marc Goblet.
Die Verlagerung, was ja "Tax-Shift" im Grunde bedeutet, habe nur innerhalb des Portemonnaies der Durchschnittsbürger stattgefunden, beklagt auch Marc Leemans. Und das alles nur, um die Geldbörsen der Reichen aus der Schusslinie zu halten. Die beißende Kritik vor allem der CSC ist vor allem für die CD&V ein wirkliches Problem.
Die Christdemokraten hatten die Gewerkschaften vor einigen Monaten vertröstet - und zwar eben mit dem Tax-Shift, nach dem Motto: Wartet mal, da kommt noch was. Und gerade die CSC zählt ja zur Basis der CD&V. Er müsse zugeben, dass da in Sachen Steuergerechtigkeit mehr drin war, räumte CD&V-Chef Wouter Beke ein. Nur sei seine Partei eben überstimmt worden.
Die Gewerkschaften wetzen jedenfalls die Messer. Nicht auszuschließen ist, dass es wieder einen heißen Herbst gibt - den zweiten in Folge.
Roger Pint - Bild: John Thys/BELGA