"Herr Premierminister", echauffiert sich der PS-Abgeordnete Ahmed Laaouej. "Herr Premierminister, Ihre Arbeitsweise kann man nur mit dem Wort ‚Amateurismus‘ umschreiben." Die Sozialisten fahren schweres Geschütz gegen die Föderalregierung in der Kammer auf. Nicht das Finanzierungsgesetz oder die sechste Staatsreform seien Schuld an dem verheerenden Rechenfehler, sondern die Nachlässigkeit der Regierung.
Findet auch Olivier Maingain von der FDF. "Wir werfen Ihnen vor, die Hochrechnungen des Finanzministeriums für bahre Münze genommen zu haben, obwohl sie wussten, dass die Stichprobe für die Schätzung der Steuereinnahmen viel kleiner war als in der Vergangenheit. Sie sind dafür politisch verantwortlich", so Maingain.
Premierminister Charles Michel warf den Oppositionsparteien billige Polemik vor. Die Regierung arbeite in aller Transparenz, kommuniziere immer über die aktuellen Zahlen, die ihr zur Verfügung stehen. Ganz im Sinne eines Zusammenarbeits-Föderalismus‘.
Und so ist der Zahlen-Wirrwarr entstanden: Das Finanzministerium schätzt zum Jahresende das erwartete Steueraufkommen für das kommende Jahr. Und die Experten hatten im Frühjahr geurteilt: Durch das neue Finanzierungsgesetz stehen den drei Regionen im laufenden Jahr 750 Millionen Euro weniger zu als zunächst gedacht. Im Haushalt der Teilstaaten machten sich plötzlich riesige Löcher auf. Das hatte für eine Vergiftung des ohnehin schon rauen Klimas zwischen der föderalen Ebene und den Regionen gesorgt – allen voran mit der Wallonie.
Finanzminister Johan Van Overtveldt hatte daraufhin eine Neuberechnung durch sein Ministerium angekündigt. Und siehe da: Das Problem ist längst nicht so dramatisch wie befürchtet. Der Fehlbetrag für die Regionen beläuft sich in der neuen Prognose nicht mehr auf 750, sondern "nur" noch auf 157 Millionen Euro.
Die neue Stichprobe für die Schätzung sei deutlich repräsentativer, erklärt Finanzminister Van Overtveldt. Allerdings bleibe es eine Prognose. Heißt konkret: Die Zahlen könnten sich im Laufe des Jahres noch einmal ändern. Leider gebe es kein anderes Verfahren.
Die flämischen Sozialisten warfen dem Minister sogar vor, das Parlament belogen zu haben. Schon seit zehn Tagen kenne er die neuen Zahlen, habe sie aber erst jetzt mitgeteilt. "Sie haben uns angelogen, gehen nicht respektvoll mit dem Parlament um", wirft Marianne Temmerman von der SP.A Finanzminister Van Overtveldt vor.
Auch die Grünen sehen das so, hatten aber noch eine ganz andere Frage. Stichwort Tax-Shift. Die ominöse Steuerverschiebung, die die Regierung in Aussicht gestellt hatte. Von der höre und sehe man aber nichts. "Sie leiden am Syriza-Syndrom", warf Kristof Calvo von Groen Premierminister Michel an den Kopf. "Was Sie Syriza und Tsipras in der Griechenland-Krise vorwerfen, tun Sie in Bezug auf den Tax-Shift doch selbst. Sie reden und reden darüber, legen aber nichts Konkretes vor und verschieben stattdessen ständig die Deadline…".
Alain Kniebs - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)