Es gibt Tage, die sollte man schnellstens vergessen. Für Joëlle Milquet, CDH-Politikerin und Unterrichtsministerin der Französischen Gemeinschaft, war der Dienstag so ein Tag. Erst die verpatzte Reifeprüfung: In der Französischen Gemeinschaft wird erstmals eine allgemeine Zertifizierung vorgenommen: dieselbe Prüfung für alle Abiturienten. Das Geschichtsexamen von Dienstag musste aber annulliert werden, weil vorab schon die Prüfungsfragen auf Facebook kursierten. Weil die Entscheidung so kurzfristig erfolgte, sorgte die Absage vielerorts für ein ziemliches Durcheinander.
Nach der Annullierung der Geschichtsprüfung für Abiturienten in der Französischen Gemeinschaft wurden jetzt auch weitere Unregelmäßigkeiten für andere Prüfungen bekannt. Wie die Online-Ausgabe der Libre Belgique berichtet, sollen Niederländisch-Prüfungen des vierten Sekundarschuljahres durch Schüler auf Facebook veröffentlicht worden sein. Demnach fanden diese Prüfungen nicht in allen Schulen zeitgleich statt, so dass die Schüler, die die Prüfung bereits abgelegt hatten, die Gelegenheit nutzten, anderen Schülern die Fragen und Antworten zukommen zu lassen.
Wie das Kabinett von Unterrichtsministerin Joëlle Milquet betonte, handele es sich bei diesen Prüfungen um eine Testphase, die lediglich in 23 Schulen durchgeführt werde. Diese Prüfungen seien nicht verpflichtend.
Hausdurchsuchungen
Am Dienstagnachmittag kam es dann aber noch dicker: Rund 30 Beamte der Gerichtspolizei durchsuchten die Amtsräume der Ministerin in Brüssel. Auch zuhause in ihrer Privatwohnung bekam Joëlle Milquet Besuch von der Polizei. Die Fahnder beschlagnahmten Dokumente, Handys und PCs.
Die Hausdurchsuchung bezieht sich auf die Zeit, als Joëlle Milquet noch Innenministerin war. Sie soll sechs Monate vor den Wahlen von 2014 Mitarbeiter ihres Kabinetts für ihre persönliche Wahlkampagne eingespannt haben. Diese Mitarbeiter sollen anschließend auf den Listen der CDH kandidiert haben. Es handelte sich offenbar um Personen mit ausländischen Wurzeln, die eingestellt worden seien, damit sie bei Wählern mit Migrationshintergrund für Milquet werben.
Joëlle Milquet erklärte in einer Pressemitteilung, sie sei froh, dass die Untersuchung endlich für Klarheit sorgen werde. Alle Anschuldigungen seien völlig gegenstandslos, so die Ministerin. Die Generalstaatsanwaltschaft, die gegen Milquet ermittelt, war zu keiner Stellungnahme bereit.
belga/rtbf/vrt/cd/rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (berlga)