Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie zurzeit: Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge gibt es weltweit mehr als 50 Millionen Flüchtlinge. Nur die wenigsten davon verlassen tatsächlich ihr Land und schaffen es bis nach Europa. Issa und seine Frau Sarah sind vor zwei Jahren aus ihrer Heimat Syrien geflohen. Dem christlichen Ehepaar hatte die Terrorgruppe IS mit Enthauptung gedroht. Die letzten Monate haben sie in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Syrien im Südosten der Türkei verbracht. Jetzt befinden sie sich in Sicherheit, im Asylbewerberheim von Sint Truiden. Issa und Sarah haben Glück: Sie sind zwei von knapp 500 Syriern, die dieses Jahr aus Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen nach Belgien umgesiedelt werden. "Mit dieser Umsiedlung von Flüchtlingen will die Regierung einen zusätzlichen Beitrag leisten und Menschen helfen, die schon lange in Flüchtlingslagern leben und deren Situation angesichts des anhaltenden Bürgerkriegs in Syrien dort aussichtslos ist", erklärt Staatssekretär Theo Francken.
So viel Glück wie Sarah und ihr Ehemann Issa haben aber nur die wenigsten Flüchtlinge. Alle anderen müssen einen Antrag auf Asyl stellen. Im vergangenen Jahr haben das in Belgien etwas mehr als 17.000 Menschen getan – die meisten Anfragen kommen aus Afghanistan und Syrien, gefolgt vom Irak, Guinea und Russland. Das Ausländeramt prüft jede Anfrage gründlich. In der Zwischenzeit werden die Flüchtlinge in Einrichtungen der föderalen Asyl-Behörde Fedasil und ihren Partnern wie das Rote Kreuz aufgenommen. Eine sichere Unterkunft, Sanitäranlagen, etwas zu essen und Betreuung: Das ist, was Belgien den Asylbewerbern während der Prüfung ihrer Anfrage durch die Behörden bietet. "Werden sie als Flüchtling anerkannt, dann beginnt für die Menschen ein neues Leben bei uns", erklärt Theo Francken. "Wird die Anfrage hingegen abgelehnt, dann müssen sie Belgien verlassen – freiwillig, wenn möglich und unter Zwang, wenn nötig". Stichwort: Abschiebung. Das ist das Basisprinzip der Mitte-Rechts-Regierung: "Wer wirklich Schutz und Hilfe braucht, dem wird hier geholfen. Wer sich aber nicht an die Regeln hält und unser System missbraucht, dagegen wird die Regierung stärker vorgehen."
Flüchtlinge aus den Balkan-Staaten wie Bosnien, Mazedonien, dem Kosovo und Serbien sowie aus Indien haben kaum eine Chance auf Anerkennung in Belgien. Ihr Land gehört nämlich zur Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer. Die Behörden gehen davon aus, dass die Menschen dort nicht in Gefahr sind. Von den insgesamt 17.000 Asyl-Anfragen im vergangenen Jahr sind gut die Hälfte bewilligt worden. Wegen der wachsenden Anzahl Flüchtlinge aus Syrien: Tendenz steigend. "Fast alle Syrier, die bei uns um Asyl bitten, bekommen es auch – wegen des Krieges in ihrer Heimat."
Der Besetzungsgrad der Flüchtlingsheime in Belgien beträgt derzeit knapp 80 Prozent. Warum also nicht die restlichen 20 Prozent füllen und mehr Bewerber aufnehmen? Keine gute Idee, findet N-VA-Staatssekretär Francken. Man brauche einen Puffer für Krisensituationen. Die Flüchtlingskrise von 2011 noch im Hinterkopf, als Minderjährige wegen Überfüllung der Zentren in Hotels übernachten mussten und man Erwachsene zum Schlafen in den Brüsseler Nordbahnhof schickte.
Verglichen mit anderen EU-Ländern leiste Belgien seit Jahren einen überdurchschnittlichen Beitrag bei der Aufnahme von Flüchtlingen, sagt Theo Francken. Fünf Länder in Europa würden 70 Prozent der Asylanten bei sich aufnehmen. Was ihn ärgert: Gewisse Staaten, vor allem in Osteuropa, täten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise so gut wie gar nichts…
Bild: Dirk Waem (belga)