Am Donnerstag erscheint ein Buch im Handel, das noch für mächtig Diskussionsstoff sorgen könnte. Lars Bové, Journalist bei der Zeitung De Tijd, hat ein Jahr lang versucht, etwas Licht in die Schattenwelt der "Sûreté" zu werfen. Das Ergebnis dieser Recherche liegt jetzt vor: "De geheimen van de staatsveiligheid", "Les secrets de la sûreté de l'Etat", "Die Geheimnisse des Staatsschutzes".
Die Sûreté existiert so lange, wie es den Staat gibt: seit 1830. Doch kaum jemand weiß Genaueres über den Inlandsgeheimdienst. Das fängt schon bei der genauen Zahl der Mitarbeiter an. Rund 600 Menschen seien wohl beim Staatsschutz beschäftigt, sagte Lars Bové in der RTBF. Das allerdings sei nicht genug.
Der Sûreté fehle es an personellen Mitteln, um alle potentiellen Bedrohungen wirklich im Auge zu behalten - gerade jetzt angesichts der momentanen Radikalisierungsproblematik. Im Augenblick kümmere sich der Staatsschutz eigentlich nur noch um diesen Bereich. Alles andere, wie etwa der Kampf gegen organisierte Kriminalität, naja, das bleibe eigentlich eher liegen.
Dem Staatsschutz geht es anscheinend nicht besser als vielen anderen Institutionen: Es fehlt an personellen und materiellen Mitteln, und das anscheinend an allen Ecken und Enden. Bei der Sûreté treibe das jedenfalls ziemlich surreale Blüten. Beispiel: "Die Agenten müssen ihre Informanten manchmal sogar aus eigener Tasche bezahlen", sagt Bové. "Im Kampf gegen potentielle terroristische Bedrohungen natürlich nicht wirklich optimal."
Und dann erzählt der Journalist eine Geschichte, die dem Fass den Boden ausschlägt: Der Sûreté fehlt es anscheinend auch an Personal, um ausländische Staatsgäste adäquat zu schützen. Da werde also improvisiert. Konkret: Man mietet eine Limousine mit Chauffeur, und dieser Chauffeur geht dann eben für die Galerie als "Personenschützer" durch, was er aber gar nicht ist. Im Grunde darf man so etwas gar nicht erzählen.
"Zielperson" Politiker
Die Sûreté hat da aber noch ganz andere wohlgehütete Geheimnisse, die erst recht nicht für fremde Ohren bestimmt sind. Man habe immer gesagt, dass der Staatsschutz keine Politiker bespitzelt - er habe Beweise dafür, dass man das durchaus mache, sagt Lars Bové. Und diese Politiker seien nicht beschattet worden, weil sie vielleicht bedroht seien, sondern als "Zielpersonen".
Schaut denn keiner der Sûreté auf die Finger?, mag man sich fragen. Doch, sagt Lars Bové. Es gibt eine Kontrolle, und zwar durch ein Gremium bestehend aus drei Magistraten. Allerdings wird da nur die Arbeit der hauptamtlichen Mitarbeiter überprüft. Alles, was die Informanten und Tippgeber betrifft, das bleibe dagegen weitgehend im Dunklen.
Stichwort Informanten: Offenbar verfügt die Sûreté über "freie Mitarbeiter" an diversen strategischen Standorten, wie z.B. in Telekom-Unternehmen. Und diese Informanten sollen den Schlapphüten denn auch von Zeit zu Zeit Telefonnummern oder E-Mail-Adressen beschafft haben. Das Ganze auch weitgehend ohne externe Kontrolle.
Der Chef der Sûreté, Jaak Raes, der hätte auch nichts dagegen, wenn das weiter so bleibt. Wenn das Parlament aber die entsprechenden Gesetze ändern wolle, dann müsse man seine Arbeitsweise eben anpassen, sagt Raes in der Zeitung L'Echo. "Die Geheimnisse des Staatsschutzes" - das Buch scheint jedenfalls zumindest ein Eckchen des Vorhangs gelüftet zu haben.
Cover und Foto: Lannoo