Es war das Wochenende der linken Parteien. Zunächst zu Ecolo: Die Grünen haben eine neue Führungsspitze gewählt. Zwei Tandems hatten sich für die Nachfolge von Emily Hoyos und OIivier Deleuze beworben. Am Ende machte das favorisierte Duo das Rennen: Zakia Khattabi und Patrick Dupriez.
Sie: Ende 30, Föderalabgeordnete, aus Brüssel mit marokkanischen Wurzeln und einer langen Karriere im Sozialsektor in der Hauptstadt.
Er: Mitte 40, Weltenbummler, den es nach Ciney verschlagen hat, und nicht zuletzt ehemaliger Vorsitzender des Wallonischen Parlaments. Eine Mischung aus frischem Wind und Erfahrung, also.
Zwei große Ziele haben sie sich gesetzt. Erstens: Man will wieder aufs Terrain, mit den Menschen reden, sie von den grünen Ideen überzeugen. Zugleich wollen die beiden neuen Vorsitzenden den Grünen wieder eine klare Richtung geben. "Klar", das heißt auch konsequent: Unser politisches Projekt ist radikal, sagte Patrick Dupriez in der RTBF. "Wir stellen uns resolut gegen den derzeit praktizierten Kapitalismus." Allerdings müsse Ecolo seine Standpunkte künftig besser erklären, damit die Leute verstehen, wovon man eigentlich rede, so Dupriez.
Links, konsequent, aber pädagogisch, das wäre also die Marschrichtung. Und so wollen die neuen Co-Vorsitzenden den Grünen neuen Elan einhauchen. Das ist auch nötig. Ecolo hat die Wahlniederlage vom 25. Mai nach wie vor nicht verdaut und in Umfragen dümpelt die Partei im Augenblick bei acht bis neun Prozent herum.
PS-Sinnkrise
Wenn das Tal auch längst nicht so tief ist, aber auch die Sozialisten stecken in einer kleinen Sinnkrise. Die PS ist bekanntlich nach dem 25. Mai in der Opposition gelandet. Im Moment ist die Partei so ein klein wenig auf der Suche nach sich selbst.
Am Wochenende hatte die PS also zu einem Kongress nach Lüttich geladen. Dabei wurde ein Denk-Prozess angestoßen: die Sozialisten wollen sozusagen ein Update, eine Aktualisierung vornehmen. "Chantier d'idees" hat man das Ganze getauft, was soviel heißt wie Ideenbaustelle. Und hier wird die Basis demonstrativ mit einbezogen. Die Basis, also einfache Mitglieder, konnten Kritik an der Parteispitze vorbringen aber auch Vorschläge formulieren. Das allerdings hinter verschlossenen Türen. Bei dieser parteiinternen Psychoanalyse waren Mikrofone oder Kameras unerwünscht.
Es sei nunmal so, dass die Zeiten sich ändern, sagte PS-Präsident Elio Di Rupo. Das bedeute freilich nicht, dass man an den sozialistischen Grundwerten herumschrauben werde. Nur müsse man die Strategien anpassen, um die Menschen zu erreichen. Und genau dieser Modernisierungs-Prozess, der sei jetzt angestoßen worden. Das Facelifting soll in rund anderthalb Jahren abgeschlossen sein.
PS, FGTB und sozialistische Krankenkasse mit Schulterschluss
"In der Not erkennt man seine wahren Freunde", haben sich die Roten aber offensichtlich in der Zwischenzeit gesagt. In Namur gab's jedenfalls ein doch bemerkenswertes Familientreffen: PS, FGTB und sozialistische Krankenkasse präsentierten sich zusammen der Presse, mit einer gemeinsamen Botschaft: Sinngemäß in einem Satz: "Hände weg von der Sozialen Sicherheit".
Wir müssen dafür kämpfen, dass die Soziale Sicherheit vernünftig finanziert wird, etwa in dem man Quellen anzapft, die im Moment nicht oder nur wenig zum System beisteuern, sagt Jean-Pascal Labille, Generalsekretär von Solidaris, also den Sozialistischen Krankenkassen.
Demgegenüber hat ja insbesondere die N-VA angekündigt, die Soziale Sicherheit weiter beschneiden zu wollen. Und darüber sei man doch extrem besorgt, sagt PS-Chef Di Rupo. Denn: Die Soziale Sicherheit, das sei so etwas wie der Mörtel des Landes.
FGTB-Generalsekretär Marc Goblet wird konkreter: Soziale Sicherheit, dann sprechen wir insbesondere von der Arbeitslosenunterstützung. Wer da Einsparungen vornimmt, der trifft in erster Linie die Wallonie und Brüssel. Und wenn beide Regionen dann auf die Barrikaden gehen, dann wäre das ein idealer Vorwand, um auch die Soziale Sicherheit zu spalten.
Also: Wer für die Soziale Sicherheit einsteht, der kämpfe nicht nur für die Solidarität, sondern auch für die Einheit des Landes. Und die sozialistische Familie will da offensichtlich geschlossen in die Schlacht ziehen.
Bild: John Thys (belga)
Ecolo will sich "“resolut gegen den derzeit praktizierten Kapitalismus stellen”. Für mich bedeutet das wiederum nicht, dass Ecolo seine vorrangige Priorität auf den Klima- und Umweltschutz, sowie auf eine schnellstmögliche Energiewende von atomar-fossil hin zu einer 100% erneuerbare Energieversorgung legt. Ich bin davon überzeugt, dass dies der Grund ist, warum Ecolo seit Jahren nur so wenige Wählerinnen und Wähler überzeugen kann! Ecolo verspielt sein "Alleinstellungsmerkmal"! Es kommt hinzu, dass Ecolo - genau so wie die PS/SP - mit der Aussage gegen den Kapitalismus sein zu wollen, nicht glaubwürdig ist: Denn wie kann man den Kapitalismus abschaffen, wenn man die eigentlichen Triebfedern des "Kapitalismus", nämlich das Kreditgeldsystem und die Zinswirtschaft, unbeachtet lässt. Und dann auf EU-Ebene alle Verträge, welche dieses kapitalistische Geldsystem festigen, widerstandslos durchwinkt?!