Der Einbruch in die Belgacom-Netzwerke hat damals ziemlich Staub aufgewirbelt. Das war ein richtig "dickes Ding". Der Fall hat sogar international für Schlagzeilen gesorgt. Die Geschichte war im September 2013 aufgeflogen. Man hatte gemerkt, dass die Belgacom-Netze systematisch angezapft worden waren. Auch beim Mobilfunk-Anbieter Proximus hatten sich die Täter eingehackt. Die Hacker hatten es aber vor allem auf eine Belgacom-Filiale abgesehen: "Belgacom International Carrier Services", kurz BICS. BICS kümmert sich um internationale Telefon- und Datenverbindungen.
Der eigentliche Einbruch erfolgte schon 2011. Heißt also: da hat sich einer zweieinhalb Jahre ungestört in den Belgacom-Netzen herumtreiben können. Dieser "jemand" hat dadurch quasi bei sämtlichen Handy-Kommunikationen in Europa, in Afrika und im Nahen Osten mit in der Leitung gesteckt. Dies eben wegen der strategischen Bedeutung der Belgacom-Filiale BICS. Besonders brisant ist das natürlich, wenn man sich vor Augen hält, wie viele wichtige internationale Organisationen ihren Sitz in Belgien haben, angefangen natürlich bei EU und NATO.
Die Sache flog im September 2013 auf. Von da an stand natürlich die Frage im Raum: Wer steckte hinter dem Hacker-Angriff? Und hat die damalige Regierung erstmal sogar die eigenen Dienste verdächtigt? Die Zeitung L'Echo weiß es ganz genau: Ihr ist nämlich der Brief zugespielt worden, den der damalige Premierminister Elio Di Rupo an den Chef des Militärgeheimdienstes geschickt hat. L'Echo druckt das Schreiben am Donnerstag ab, inklusive Briefkopf und Unterschrift von Elio Di Rupo. Und da kann man unter anderem nachlesen: "Geehrter Herr General-Major, erlauben Sie mir, Ihnen folgende Fragen zu stellen: War der Militärgeheimdienst SGRS oder seine Agenten direkt oder indirekt an der Aktion beteiligt oder hatte man Kenntnis davon? Hat der SGRS vielleicht dem ausländischen Dienst geholfen? Ich erwarte schnellstmöglich Ihre Antwort. Mit freundlichen Grüßen, Elio Di Rupo." Der Brief ist datiert vom 18. September 2013 und adressiert an den Chef des Militärgeheimdienstes, General-Major Eddy Testelmans. Das lässt gar keinen Zweifel zu: der Premier hatte den Verdacht, dass die eigenen Dienste von der Aktion gewusst oder sogar die Finger im Spiel hatten.
Dieser Verdacht hat sich inzwischen als unbegründet erwiesen. Jetzt geht man davon aus, dass der britische Geheimdienst hinter dem Hackerangriff auf Belgacom steckte. Das haben Recherchen ergeben, unter anderem der Zeitung De Standaard. Man beruft sich dabei auf Dokumente aus dem Fundus des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden. Aus denen geht wohl ziemlich klar hervor, dass der britische Geheimdienst GCHQ in die Belgacom-Netze eingedrungen ist. Beteiligt waren anscheinend auch die Kanadischen Dienste. Man hat damals die inzwischen berühmt berüchtigten Spionage-Software "Regin" benutzt. Allein deswegen konnte man schon ahnen, dass ein mächtiger Geheimdienst hinter dem Hackerangriff stecken musste. Laut Experten ist "Regin" so ungefähr die Crème de la Crème der Spionage-Programme.
Nach Informationen von L'Echo soll der neue Premier Charles Michel den Fall gegenüber seinem britischen Amtskollegen David Cameron aufs Tapet gebracht haben. Cameron soll eine Erklärung versprochen haben, eine Erklärung, keine Entschuldigung.
Hundertprozentiges Vertrauen zwischen der Politik und den eigenen Geheimdiensten herrscht jedenfalls nicht. Genau das hebt auch L'Echo hervor. Ein solcher Brief, das sei schon ein dicker Hund, beklagt ein nicht genannter Armeevertreter. Das sei "du jamais vu", das habe es wohl noch nie gegeben. Dabei sei es doch so gewesen, dass der Militärgeheimdienst seiner Zeit vor anderthalb Jahren sogar mitgeholfen habe, die Täter ausfindig zu machen. Wenn man sich da den heutigen Kontext vor Augen hält, die terroristische Bedrohung, dann kann man jedenfalls nur hoffen, dass da jetzt mehr Vertrauen herrscht.
Elio Di Rupo ließ dementieren, dass er allen Ernstes den eigenen Geheimdienst verdächtigt habe. Der Brief, das sei eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen, nicht mehr, als eine Formalität. Dass der Brief jetzt in einer Zeitung auftaucht, das dürfte jedenfalls auch kein Zufall sein. Das riecht irgendwie nach einer späten Rache.
Archivbild: Herwig Vergult (belga)