Viele fragen sich, ob der Sozialfriede in Gefahr ist und neue Protestaktionen drohen. Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandeln über einen neuen Rahmentarifvertrag und über das sogenannte Wohlstandspaket der Regierung.
Ob eine rasche Einigung noch möglich ist, ist derzeit sehr schwer zu sagen. Zu Beginn der Woche hätte man noch gesagt: Die Verhandlungen der Sozialpartner scheitern auf jeden Fall. Wir steuern direkt auf neue Streiks zu.
Am Mittwochabend gab es offenbar wieder mehr Optimismus am Verhandlungstisch. Unter anderem beim Wohlstandpaket soll eine Einigung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Mache sein. Das sogenannte Wohlstandspaket sind Geldmittel, die die Regierung den Sozialpartnern zur Verfügung stellt, um beispielsweise Menschen mit niedrigen Renten oder Arbeitslose gezielt zu unterstützen. Über die Verteilung der Mittel entscheidet nicht die Regierung, sondern überlässt das den Sozialpartner. Dort scheint eine Einigung also möglich.
Stichwort Tarifvertrag
Beim Rahmentarifabkommen ist die Lage ganz anders. Beim Tarifvertrag geht es traditionell darum, dass die Gewerkschaften Gehaltserhöhungen fordern und die Arbeitgeber auf die Bremse treten. Knackpunkt ist derzeit schon die Grundsatzfrage: Angesichts der Krise und des Wettbewerbsnachteils Belgiens gegenüber den Nachbarländern - wie viel Spielraum gibt es überhaupt für Lohnerhöhungen?
Wegen des Index-Sprungs, den die Gewerkschaften bekämpfen, fordern sie, dass Gehaltserhöhungen auf jeden Fall zugelassen werden. Oder, dass es zumindest branchenunabhängig erlaubt wird – also in Wirtschaftszweigen, denen es gut geht. Die Arbeitgeber pochen dagegen eher auf eine Erhöhung der Betriebsrente für ihre Mitarbeiter oder anderer Rentenvorteile. Die Gewerkschaften aber würden lieber die Bruttolöhne steigen sehen.
Die Sozialpartner haben bis Freitag Zeit, sich zu einigen.Wenn das nicht gelingt, muss man davon auszugehen, dass die Waffenruhe dann nicht mehr gilt. Also konkret: Neue Protestaktionen wären dann in der Mache, weitere Streiks nicht ausgeschlossen. Freitag müssen Gewerkschaften und Arbeitgeber der Regierung Bericht erstatten.
Das ist aber nicht die einzige Deadline. Innerhalb der Gewerkschaften brodelt es nämlich wieder. Hier und da wurden bereits allgemeine Streikankündigungen hinterlegt – eben für den Fall der Fälle. Die Basis und die lokalen Abteilungen der Gewerkschaften üben so Druck auf die nationalen Vertreter aus, damit die jetzt endlich "Butter bei die Fische" machen.
Also: Spannende Verhandlungsrunde, die da am Donnerstagabend beginnt. Mit bislang unbekanntem Ausgang.
vrt/jp - Bild: Thierry Roge/BELGA