"Totgelacht": der Titel einer tragisch-beißenden Karikatur auf Seite eins von Le Soir. Fast alle Zeitungen haben die Gestaltung ihrer Titelseite ihren Karikaturisten überlassen. Sie alle wollten sich in gewisser Weise vor ihren Kollegen verneigen.
"Charb, Cabu, Wolinski und Tignous waren mehr als nur Kollegen", sagt Kroll, der für die Karikatur auf Seite eins von Le Soir verantwortlich zeichnet. "Vor allem Cabu und Wolinski haben ganze Generationen von Karikaturisten und Pressezeichnern geprägt. Ich selbst würde vielleicht gar nicht diesen Job machen, wenn sie mich nicht in jungen Jahren zum Lachen gebracht hätten."
"Ich hätte es selbst in meinen schlimmsten Albträumen nie für möglich gehalten, dass diese Menschen buchstäblich abgeknallt werden." Genau diesen Gedanken hat Kroll auch auf der Titelseite von Le Soir umgesetzt. Man sieht ein Fadenkreuz - darin Zeichner, mit Bleistift bewaffnet, im Schützengraben. Einer von ihnen liegt tot am Boden.
"Das ist und bleibt schlichtweg unfassbar", sagt auch Dubus, Karikaturist in La Dernière Heure und La Libre Belgique. "Bislang haben wir diesen Job gemacht, um uns zu amüsieren, um zu lachen. Das galt besonders für die Leute von Charlie Hebdo. Und jetzt das! Das ist in gewisser Weise das Ende der Unschuld", sagt Dubus. "Der 7. Januar hat die Welt verändert."
Presse und Gesellschaft vor großen Herausforderungen
Die wenigsten Zeitungen haben mit Provokation auf den barbarischen Anschlag reagiert. Kaum ein Blatt hat die Mohammed-Karikaturen abgedruckt, die letztlich Charlie Hebdo ins Fadenkreuz von wahnsinnigen Killern gebracht haben. Das kann auch Martine Simonis nur feststellen, die Generalsekretärin des frankophonen Journalistenverbandes AJP.
"Die meisten Zeitungen haben sich dazu entschlossen, nach vorne zu blicken und zugleich die toten Kollegen zu ehren, diese großen Zeichner, die so brutal aus dem Leben geschieden sind", sagt Martine Simonis. "Auf die Presse und die Gesellschaft insgesamt warten jetzt aber große Herausforderungen. Wir müssen alle zusammen Extremismus aller Art bekämpfen", appelliert die AJP-Generalsekretärin.
"Allerdings mit den Waffen einer demokratischen Gesellschaft. Wir müssen unsere Werte und zugleich das Miteinander verteidigen. Dieser Kampf ist nicht von vornherein gewonnen, da muss jeder seinen Teil zu beisteuern."
"Was in Paris passiert ist, das ist einfach nur unfassbar", sagte auch Innenminister Jan Jambon in der RTBF. "Und ja, man muss den Realitäten ins Auge sehen. So etwas kann überall in der Welt passieren. Deswegen sind die Sicherheitsbehörden auch besonders wachsam", erklärte Jambon. Nichtsdestotrotz wird die Terrorwarnstufe erstmal nicht erhöht. Den zuständigen Stellen lägen schlicht und einfach keine konkreten Bedrohungen vor. "Die Situation wird quasi minütlich neu bewertet. Aber man sollte jetzt auch nicht in Panik verfallen."
Schweigeminute in der Kammer
In der Kammer haben die Abgeordneten am Mittwoch eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlags von Paris abgehalten. Premierminister Charles Michel rief dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Alle Demokraten müssten Seite an Seite gegen Hassprediger und Terroristen ankämpfen.
Am Mittwochvormittag war der Premier mit den Ministerpräsidenten der Regionen und Gemeinschaften zusammengetroffen. Gemeinsam verständigte man sich darauf, den Kampf gegen die Radikalisierung zu verstärken. Michel rief dazu auf, auf allen Ebenen zusammen zu arbeiten.
vrt/est - Bild: Carole Heymans/BELGA