Die Zeitung Le Soir spricht schon von einer "Belebung der politischen Streitkultur". Im Parlament müssen sich die Mitglieder der neuen Regierung in dieser Woche von den Abgeordneten auf den Zahn fühlen lassen.
Am Dienstag wurden sieben Minister angehört, darunter auch Premier Charles Michel. Dabei musste Michel sich immer wieder den Vorwurf anhören, er habe seine Minister nicht im Griff.
"Ein ungeordneter Haufen ist diese Regierung", wettert der Groen-Abgeordnete Kristof Calvo. "Wer ist eigentlich der Chef in diesem Kabinett?"
"Der eine sagt dies, der andere sagt das", kritisierte die Opposition. Kakophonie gebe es vor allem in Bezug auf eine mögliche Reichensteuer oder den Atomausstieg.
Eine Illustration dafür gab es etwa bei der Anhörung des N?VA-Finanzministers Johan Van Overtveldt. Der musste sich nämlich insbesondere Kritik vom Mehrheitspartner CD&V anhören. Die flämischen Christdemokraten plädieren für eine Kapitalertragssteuer. Aber mal heißt es, die Regierung werde bei Zeiten über das Thema debattieren, und dann hört man wieder: Kommt nicht infrage, eine gleichwie geartete Vermögenssteuer stehe nicht im Koalitionsabkommen.
Streit um Atomausstieg
Energieministerin Marie-Christine Marghem hielt sich ihrerseits fast wörtlich an den Inhalt des Regierungsabkommens: Atomausstieg spätestens 2025, erklärte die Ministerin. Noch vor einigen Tagen hatte sie das in einem Interview als "unrealistisch" bezeichnet.
Bei ihrer Anhörung machte Marghem jetzt klar: Es bleibe bei 2025, nur würden die Reaktoren Doel 1 und Doel 2 nicht wie geplant ab dem kommenden Jahr vom Netz genommen, die Laufzeit werde verlängert. Aber höchstens bis 2025. Das reichte aber, um die Opposition gleich an die Decke zu befördern. Die Ministerin setze offensichtlich weiter allein auf Kernenergie - als gäbe es keine Alternative, beklagte der Ecolo-Abgeordnete Jean-Marc Nollet.
"Ideologischer Starrsinn", wetterte auch die PS-Abgeordnete Carine Lalieux. Die Ministerin habe offensichtlich nur mit der Atomlobby gesprochen. "Wer ist hier starrsinnig?", erwidert die Energieministerin. Man brauche doch nur das Wort "Kernenergie" in den Mund zu nehmen, da schalteten einige schon auf stur.
Vergleichsweise ruhig lief es da bei der Anhörung des Wirtschafts- und Arbeitsministers Kris Peeters ab. Beobachtern zufolge habe Peeters sogar der Opposition zumindest Respekt abgerungen. Peeters machte noch einmal deutlich, dass man der Wirtschaft keinen Blankoscheck ausstellen wolle. Der geplante Indexsprung müsse die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zur Folge haben.
Am Mittwoch wird das Parlament ebenfalls wieder sieben Minister anhören. Darunter ist unter anderem Theo Francken, der gleich zu Beginn seiner Amtszeit wegen einiger Aussagen aus der Vergangenheit ins Kreuzfeuer geriet: So waren frühere Aussagen von ihm ans Licht gekommen, in denen er sich abschätzig über einige Immigrantengruppen geäußert hatte. Außerdem war Francken unter Druck geraten, weil er auf der Geburtstagsfeier eines verurteilten Kollaborateurs war.
Bild: Thierry Roge (belga)